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Zwei Krisen, ein Gedanke
Der eine will den Abgasskandal vergessen machen, der andere die WM 2016: Der neue Sponsor VW passt zum DFB
Nein, es klebte am Montag kein Konterfei eines deutschen Nationalspielers an einem der mächtigen Schornsteine, die der Autostadt Wolfsburg ihre Silhouette verleihen. Die vier markanten Erkennungszeichen am Mittellandkanal werden bei besonderen Ereignissen schon mal gesondert illuminiert, aber so viel Strahlkraft besitzt der Fußball dann wohl doch nicht. Gleichwohl ist der Schulterschluss offensichtlich, den die Volkswagen AG als größter deutscher Autobauer mit rund 655 000 Mitarbeitern weltweit und der Deutsche Fußball-Bund (DFB) als größter deutscher Sportverband mit mehr als sieben Millionen Mitgliedern eingegangen sind: Vor der werkseigenen Fußballarena stand bereits der Mannschaftsbus, mit dem deutsche Nationalspieler künftig zu ihren Länderspielen chauffiert werden. Vor der ersten Trainingseinheit für das Länderspiel an diesem Mittwoch gegen Serbien wurde die Übergabe des Luxusgefährts feierlich zelebriert.
Zugleich ist damit die lange Partnerschaft des DFB mit dem Konkurrenten Mercedes-Benz zu Ende gegangen. Luxuskarossen aus schwäbischer Produktion begleiteten den DFB seit 1972, als Generalsponsor seit 1992. Der auf Trainingsanzügen und Trikots nun sichtbare Wachwechsel fällt jedoch mitten in die größte Sinnkrise des deutschen Fußballs der Neuzeit. Da mutet es fast schon kurios an, dass ein Konzern seine mit dem hausgemachten Abgasskandal verlustig gegangene Reputation nun über die im Ansehen mindestens ebenso tief gestützte deutsche Nationalelf wiedergutmachen will.
»Wir wollen über den Fußball wieder nahbarer werden«, sagt der für die Sportkommunikation beim Autobauer zuständige Gerd Voss, ehemals Pressechef des FC Schalke 04. Ähnlich lavierend klingt auch der DFB-Generalsekretär Friedrich Curtius: »Wir befinden uns beide in einem Wandel.« Immerhin macht niemand im Verband einen Hehl daraus, dass der neue »Mobilitätspartner« besser zahlt als der alte: Kolportiert werden bis 2024 in etwa 25 bis 30 Millionen Euro - pro Jahr! Das ist ungefähr das Dreifache des bisherigen Betrags.
Vor der Frankfurter Zentrale des DFB stehen auf den reservierten Parkplätzen längst Modelle aus der Luxusklasse des Wolfsburger Konzerns mit einem vermeldeten Jahresumsatz von rund 235 Milliarden Euro. Gesondert aktiviert wird das Engagement aber nun in Wolfsburg, dort also, wo der Länderspielauftakt 2019 eine kaum verhohlene Verbeugung vor dem Geldgeber darstellt.
Fußballfans blicken mit dem Freundschaftsspiel gegen Serbien (Mittwoch 20.45 Uhr/ RTL) zwangsläufig auf den Standort im östlichen Niedersachsen. Niemand kann sich in der 130 000-Einwohnerstadt dem Dreiklang Unternehmen-Verein-Stadt entziehen, weil hier fast 60 000 Menschen am Stammsitz beschäftigt sind. Am Freitagvormittag werden Manuel Neuer und Kollegen zusätzlich noch einen Werksbesuch unternehmen.
Marketingvorstand Jochen Sengpiehl hat auf einer Sportbusinessmesse kürzlich ausführlich erläutert, was sich der Konzern von solchen Doppelpässen erhofft: »Natürlich spielt die Imagekomponente eine große Rolle. Wir geben weltweit 1,6 Milliarden Dollar für Marketing aus«, sagt er. Viel davon fließt in den Fußball, denn der erreicht immer noch die meisten potenziellen Kunden. »Es geht darum, die höchstmögliche Effizienz zu erzielen, um nicht mit der Schrotflinte auf Spatzen zu schießen.« In der Firmenzentrale wurde eigens eine Arbeitsgruppe namens »Volkswagen FC« eingerichtet, die direkt die umweltaffine junge Generation ansprechen soll.
Der Fußball soll VW in Krisenzeiten noch mehr als Kommunikationsvehikel dienen, um die Transformation ins digitale Zeitalter und den Einstieg in die Elektromobilität glaubwürdiger zu gestalten, wie Voss erläutert. Bezeichnend, dass der neue DFB-Bus doch wieder ein Diesel ist. Irgendwann in der Zukunft soll er mal elektrisch betrieben werden. Wann? Das blieb am Montag unklar.
Den DFB-Pokal präsentiert der Konzern schon seit 2012, die europäischen Nationalmannschaftswettbewerbe seit 2018. Es wird versichert, in Zukunft noch mehr auf Fans, Frauen und Jugend einzugehen. Der Leitsatz von Chefvermarkter Sengpiehl entstammt dabei offenbar einer PR-Fibel: »Fußball begeistert Menschen aller Couleur. Volkswagen steht für Volkssport.«
Die von ihm als »Wertekampagne« titulierte Imagepolitur würde noch überzeugender klingen, gäbe es nicht das neueste Sparprogramm, das den Betriebsrat derzeit auf die Barrikaden bringt. Schon 2016 war der Abbau von 30 000 Stellen verabschiedet worden, nun sollen abermals 5000 bis 7000 Arbeitsplätze in der klassischen Pkw-Produktion wegen großer Investitionen in Elektromobilität und Digitalisierung nicht neu besetzt werden. Die meisten davon in Wolfsburg, wo am Mittwoch zu einer brisanten Betriebsversammlung 20 000 Mitarbeiter erwartet werden. Es gibt wirklich Wichtigeres als Fußball.
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