Nutzung fremder Grundstücke übern Pfad - ein Gewohnheitsrecht?

Entsteht ein Gewohnheitsrecht, wenn Nachbarn 50 bis 60 Jahre immer wieder zu ihrem Garten einen bestimmten Pfad gelaufen sind, aber keine Eintragungen im Grundbuch darüber bestehen?
Eberhard R., 13055 Berlin

1.
Aus dem wohl neuesten Urteil eines Obergerichts zu dieser Problematik, dem Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts vom 24. Oktober 2006 (Az. 3 U 41/06), ergibt sich Folgendes: Sowohl im privaten, worum es in der Frage geht, als auch im öffentlichen Wegerecht ist anerkannt, dass Überwegungsrechte auch durch Gewohnheitsrecht begründet werden können. Ein solches Gewohnheitsrecht ist dann anzunehmen, wenn innerhalb eines engeren Kreises von Betroffenen eine langdauernde, gleichmäßige tatsächliche Übung besteht, die von der Überzeugung getragen wird, zu dem Verhalten rechtlich verpflichtet zu sein.
Wenn ein Weg über ein Privatgrundstück seit längerer Zeit als Zuwegung zwischen einer öffentlichen Straße und einem Hinterliegergrundstück benutzt wird, dann kann das zur Bildung eines örtlich geltenden Gewohnheitsrechts führen. Im entschiedenen Fall war der Weg seit Ende der 20er Jahre benutzt worden, und seit Anfang der 50er Jahre war er auch für den Kraftverkehr benutzt worden.
Wenn das Überwegungsrecht durch Gewohnheitsrecht begründet worden ist, besteht nach dieser Entscheidung kein Anspruch auf eine Notwegerente.

2.
Eine Möglichkeit, eine ausgeübte Zuwegung grundbuchlich zu sichern, besteht im Rahmen des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes (SachenRBerG). Nach § 116 dieses Gesetzes kann derjenige, der ein Grundstück in einzelnen Beziehungen nutzt, also etwa als Weg, von dem Eigentümer verlangen, dass dieser die Eintragung eines Wegerechts in das Grundbuch, vornehmlich in der Form einer Grunddienstbarkeit, bewilligt.
Das setzt voraus, dass die Nutzung vor Ablauf des 2. Oktober 1990 begründet wurde und dass die Nutzung des Grundstücks für die Erschließung oder Entsorgung eines eigenen Grundstücks oder Bauwerks erforderlich ist. Außerdem darf nicht schon ein Mitbenutzungsrecht nach dem ZGB der DDR begründet worden sein.
Für die Erforderlichkeit im Sinn des § 116, Abs. 1 Nr. 2 SachenRBerG reicht es aus, dass die Erschließung des eigenen Grundstücks auf anderem Wege als dem der Mitbenutzung des betroffenen Grundstücks unverhältnismäßig kostspieliger, technisch aufwendiger oder anderweitig belästigender wäre, wie der BGH in seinem Urteil (Az. V ZR 388/02) festgestellt hat. Die Mitbenutzung muss aber nach der Verwaltungspraxis der DDR oder nach den DDR-typischen Gegebenheiten als rechtmäßig angesehen worden sein (BGH Urteil, Az. V ZR 148/06 ).
Der Eigentümer des belasteten Grundstücks kann nach § 118 SachenRBerG seine Zustimmung zur Bestellung einer Dienstbarkeit von der Zahlung eines einmaligen Betrages oder eines wiederkehrenden z. B. jährlich zu zahlenden Betrages abhängig machen. Das Entgelt ist in Höhe der Hälfte des üblichen Entgeltes zu zahlen und in Höhe des vollen Entgelts, wenn sich die Nutzung des herrschenden Grundstücks und die Mitbenutzung des belasteten Grundstücks nach dem 2. Oktober 1990 geändert hat.
Der Anspruch auf Eintragung einer solchen Grunddienstbarkeit ist gerichtlich einklagbar.

3.
Eine andere Möglichkeit, die Benutzung eines fremden Grundstücks als Weg einseitig zu erzwingen, besteht in der Ausübung eines Notwegerechts nach § 917 BGB. Voraussetzung dafür ist, dass einem Grundstück die zur ordnungsgemäßen Benutzung notwendige Verbindung mit einem öffentlichen Wege fehlt. Auch in diesem Fall ist der Eigentümer des belasteten Grundstücks durch eine Geldrente zu entschädigen.
Die Voraussetzungen für die Begründung eines Notwegerechts sind schwieriger zu erfüllen als die für die Begründung einer Grunddienstbarkeit nach dem SachenRBerG. Allerdings muss in dem letzteren Fall die Nutzung bereits vor dem 3. Oktober 1990 stattgefunden haben.

4.
Die Wegerente ist, wenn sie durch die Gerichte festgelegt wird, zumeist nicht besonders hoch, da es sich regelmäßig um relativ kleine Flächen handelt, die von dem Berechtigten auch nicht ausschließlich genutzt werden. Allerdings begegnet man in der Praxis häufig den Versuchen von Grundstückseigentümern, unverhältnismäßig hohe Beträge zu fordern, wobei die Wegenot der Eigentümer von Hinterliegergrundstücken ausgenutzt wird.

5.
Der Gegenstandswert eines Prozesses in derartigen Angelegenheiten richtet sich, jedenfalls soweit Grunddienstbarkeiten eine Rolle spielen, weder nach einem Bruchteil des Kaufpreises für das Grundstück noch nach dem Bodenwert der Fläche, sondern nach dem Wert, den die Dienstbarkeit für das herrschende Grundstück hat (§ 7 ZPO, s. auch OLG Celle, Az. 4 W 87/06). Maßgeblich ist auch nicht die Höhe einer etwaigen Wegerente. Im entschiedenen Fall hat das OLG Celle den Gegenstandswert auf 2500 Euro festgesetzt.
Der Gegenstandswert ist maßgebend für die Bemessung der Kosten und die Berufungsfähigkeit. Prozesse betreffend die Begründung von Grunddienstbarkeiten nach SachenRBerG sind deshalb nicht ganz billig, aber zumeist berufungsfähig.

Prof. Dr. DIETRICH MASKOW,
Rechtsanwalt, Berlin
Entsteht ein Gewohnheitsrecht, wenn Nachbarn 50 bis 60 Jahre immer wieder zu ihrem Garten einen bestimmten Pfad gelaufen sind, aber keine Eintragungen im Grundbuch darüber bestehen?
Eberhard R., 13055 Berlin

1.
Aus dem wohl neuesten Urteil eines Obergerichts zu dieser Problematik, dem Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts vom 24. Oktober 2006 (Az. 3 U 41/06), ergibt sich Folgendes: Sowohl im privaten, worum es in der Frage geht, als auch im öffentlichen Wegerecht ist anerkannt, dass Überwegungsrechte auch durch Gewohnheitsrecht begründet werden können. Ein solches Gewohnheitsrecht ist dann anzunehmen, wenn innerhalb eines engeren Kreises von Betroffenen eine langdauernde, gleichmäßige tatsächliche Übung besteht, die von der Überzeugung getragen wird, zu dem Verhalten rechtlich verpflichtet zu sein.
Wenn ein Weg über ein Privatgrundstück seit längerer Zeit als Zuwegung zwischen einer öffentlichen Straße und einem Hinterliegergrundstück benutzt wird, dann kann das zur Bildung eines örtlich geltenden Gewohnheitsrechts führen. Im entschiedenen Fall war der Weg seit Ende der 20er Jahre benutzt worden, und seit Anfang der 50er Jahre war er auch für den Kraftverkehr benutzt worden.
Wenn das Überwegungsrecht durch Gewohnheitsrecht begründet worden ist, besteht nach dieser Entscheidung kein Anspruch auf eine Notwegerente.

2.
Eine Möglichkeit, eine ausgeübte Zuwegung grundbuchlich zu sichern, besteht im Rahmen des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes (SachenRBerG). Nach § 116 dieses Gesetzes kann derjenige, der ein Grundstück in einzelnen Beziehungen nutzt, also etwa als Weg, von dem Eigentümer verlangen, dass dieser die Eintragung eines Wegerechts in das Grundbuch, vornehmlich in der Form einer Grunddienstbarkeit, bewilligt.
Das setzt voraus, dass die Nutzung vor Ablauf des 2. Oktober 1990 begründet wurde und dass die Nutzung des Grundstücks für die Erschließung oder Entsorgung eines eigenen Grundstücks oder Bauwerks erforderlich ist. Außerdem darf nicht schon ein Mitbenutzungsrecht nach dem ZGB der DDR begründet worden sein.
Für die Erforderlichkeit im Sinn des § 116, Abs. 1 Nr. 2 SachenRBerG reicht es aus, dass die Erschließung des eigenen Grundstücks auf anderem Wege als dem der Mitbenutzung des betroffenen Grundstücks unverhältnismäßig kostspieliger, technisch aufwendiger oder anderweitig belästigender wäre, wie der BGH in seinem Urteil (Az. V ZR 388/02) festgestellt hat. Die Mitbenutzung muss aber nach der Verwaltungspraxis der DDR oder nach den DDR-typischen Gegebenheiten als rechtmäßig angesehen worden sein (BGH Urteil, Az. V ZR 148/06 ).
Der Eigentümer des belasteten Grundstücks kann nach § 118 SachenRBerG seine Zustimmung zur Bestellung einer Dienstbarkeit von der Zahlung eines einmaligen Betrages oder eines wiederkehrenden z. B. jährlich zu zahlenden Betrages abhängig machen. Das Entgelt ist in Höhe der Hälfte des üblichen Entgeltes zu zahlen und in Höhe des vollen Entgelts, wenn sich die Nutzung des herrschenden Grundstücks und die Mitbenutzung des belasteten Grundstücks nach dem 2. Oktober 1990 geändert hat.
Der Anspruch auf Eintragung einer solchen Grunddienstbarkeit ist gerichtlich einklagbar.

3.
Eine andere Möglichkeit, die Benutzung eines fremden Grundstücks als Weg einseitig zu erzwingen, besteht in der Ausübung eines Notwegerechts nach § 917 BGB. Voraussetzung dafür ist, dass einem Grundstück die zur ordnungsgemäßen Benutzung notwendige Verbindung mit einem öffentlichen Wege fehlt. Auch in diesem Fall ist der Eigentümer des belasteten Grundstücks durch eine Geldrente zu entschädigen.
Die Voraussetzungen für die Begründung eines Notwegerechts sind schwieriger zu erfüllen als die für die Begründung einer Grunddienstbarkeit nach dem SachenRBerG. Allerdings muss in dem letzteren Fall die Nutzung bereits vor dem 3. Oktober 1990 stattgefunden haben.

4.
Die Wegerente ist, wenn sie durch die Gerichte festgelegt wird, zumeist nicht besonders hoch, da es sich regelmäßig um relativ kleine Flächen handelt, die von dem Berechtigten auch nicht ausschließlich genutzt werden. Allerdings begegnet man in der Praxis häufig den Versuchen von Grundstückseigentümern, unverhältnismäßig hohe Beträge zu fordern, wobei die Wegenot der Eigentümer von Hinterliegergrundstücken ausgenutzt wird.

5.
Der Gegenstandswert eines Prozesses in derartigen Angelegenheiten richtet sich, jedenfalls soweit Grunddienstbarkeiten eine Rolle spielen, weder nach einem Bruchteil des Kaufpreises für das Grundstück noch nach dem Bodenwert der Fläche, sondern nach dem Wert, den die Dienstbarkeit für das herrschende Grundstück hat (§ 7 ZPO, s. auch OLG Celle, Az. 4 W 87/06). Maßgeblich ist auch nicht die Höhe einer etwaigen Wegerente. Im entschiedenen Fall hat das OLG Celle den Gegenstandswert auf 2500 Euro festgesetzt.
Der Gegenstandswert ist maßgebend für die Bemessung der Kosten und die Berufungsfähigkeit. Prozesse betreffend die Begründung von Grunddienstbarkeiten nach SachenRBerG sind deshalb nicht ganz billig, aber zumeist berufungsfähig.

Prof. Dr. DIETRICH MASKOW,
Rechtsanwalt, Berlin

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