Wann ist Regieren Wahlkampf?

Die CDU stört sich an den Bürgerdialogen von Ministerpräsident Dietmar Woidke

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 3 Min.

Natürlich ist es nicht zufällig, wenn jede Menge Einweihungen, Straßenfreigaben, Projektfinanzierungen oder Ehrungen ausgerechnet im Vorfeld von Wahlen stattfinden. Regierungspolitiker haben eine Art Amtsbonus. Sie können verschiedene Termine so legen, dass es optisch für sie günstig ist, und somit können sie vor Wahlen punktuell für sich und ihre Partei für gutes Wetter sorgen. Allerdings müssen sie dabei aufpassen, dass die Opposition nicht den puren Wahlkampf reklamieren kann. Denn so ein purer Wahlkampf wäre unstatthaft.

Am 26. März möchte Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) seine Reihe der Bürgerdialoge in Königs Wusterhausen fortsetzen und am 2. April in Eisenhüttenstadt. Zusammen jeweils mit dem Bürgermeister will er mit den Einwohnern aus der Kommune und aus der Umgebung in einen offenen Austausch treten.

Doch die CDU-Landtagsfraktion will dem Ministerpräsidenten einen Strich durch die Rechnung machen. Unter der Überschrift »Regierungsarbeit und Wahlkampf sauber trennen« hat die Fraktion dieser Tage einen Antrag vorgelegt, in dem sie fordert, die derzeit laufenden »Bürgerdialoge« sofort einzustellen. Denn diese würden »in unmittelbarer zeitlicher Nähe zu den Kommunal- und Europawahlen stattfinden und zudem im weiteren Vorfeld der Landtagswahl liegen«. Kommunal- und Europawahl ist am 26. Mai, Landtagswahl am 1. September.

Nun kann man ja geteilter Meinung sein, was als »weiteres Vorfeld« einer Landtagswahl zu gelten hat, beziehungsweise wo dieses Vorfeld endet. Ein halbes Jahr vor der Wahl? Ein oder zwei Jahre vorher? In ihrem Antrag fordert die CDU die rot-rote Landesregierung auf, »unverzüglich verbindliche Kriterien« aufzustellen, um »dem Gebot äußerster Zurückhaltung« in Wahlkampfzeiten Rechnung zu tragen.

Kritisch sieht die CDU die Bürgerdialoge, die Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) seit Oktober vergangenen Jahres durchführt. Der Plan ist, bis Mitte Juni in jedem Landkreis und in jeder der vier kreisfreien Städte Brandenburgs eine solche Veranstaltung stattfinden zu lassen. Wenn Woidke dabei von Ministern begleitet wird, dann meist von SPD-Ministerin. CDU-Fraktionsgeschäftsführer Jan Redmann vermutet »unzulässige Beeinflussungen« und fordert eine Prüfung der Öffentlichkeitsarbeit der Regierung dahingehend, »ob sie auf parteibezogene Sympathie- oder Antipathieeffekte abzielt«. Redmann beruft sich auf eine Bewertung des parlamentarischen Beratungsdienstes des Landtags von vor einem Jahr, der zufolge staatlichen Organen »die Pflicht zur parteipolitischen Neutralität« auferlegt ist und zwar ganz allgemein und nicht nur im Vorfeld von Wahlen.

Redmann wies darauf hin, dass es Veranstaltungsformate wie die Bürgerdialoge in den ersten vier Jahren der Legislaturperiode nicht gegeben habe, »so dass hier keine Tradition angeführt werden kann«. Vielmehr habe Ministerpräsident Woidke sich in diesen Jahren in der Staatskanzlei eingebunkert. Zudem hätten die aktuellen Veranstaltungen keinen landespolitischen Informationsanlass. »Es steht allein Sympathiewerbung für den Ministerpräsidenten im Vordergrund«, urteilt Redmann. Woidke habe unter der Überschrift »Die SPD wird gebraucht wie niemals zuvor« ein Interview gegeben und zugegeben, dass die Bürgerdialoge der Unterstützung seiner Partei dienen.

SPD und LINKE wollen für die nächste Sitzung des Hauptausschusses am 3. April die jüngste Presseberichterstattung über die regierungsamtliche Öffentlichkeitsarbeit auf die Tagesordnung zu setzen. Das sei schon geplant gewesen, bevor sich die CDU beschwerte, versichert die SPD-Fraktion.

Die LINKE hat Erfahrungen mit solchen Beschwerden. Vor der Landtagswahl 2014 hatte es Kritik an der Sommertour von Finanzminister Christian Görke (LINKE) gegeben. Görke war seinerzeit Spitzenkandidat. Ein Genosse begleitete ihn für ein bescheidenes Pauschalhonorar von der Pressestelle des Ministeriums und machte Fotos. Die Bilder landeten dann aber nicht nur auf der Internetseite des Finanzministeriums, sondern auch auf Görkes Wahlkampfseite. Um den Diskussionen darüber ein Ende zu setzen, zahlte Görke das Honorar schließlich nachträglich aus eigener Tasche.

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