Mahnen und Erinnern in Niedersachsen

Grüne wollen am 8. Mai 2020 gesetzlichen Feiertag

  • Hagen Jung
  • Lesedauer: 3 Min.

Sang- und klanglos wird der 8. Mai 2020 nicht vorübergehen, darüber herrscht in Niedersachsens Landtag offensichtlich Konsens. Denn es ist unbestritten ein bedenkenswertes Datum. Immerhin sind an dem Tag 75 Jahre vergangen, seit der Zweite Weltkrieg sein Ende fand und mit ihm die Hitlerdiktatur. Wie er angemessen zu würdigen ist, dazu hat sich das Parlament in Hannover am Mittwoch noch nicht abschließend geäußert.

Ein gesetzlicher Feiertag möge es sein, arbeits- und schulfrei, so wie es in Berlin für den Bereich der Hauptstadt bereits beschlossen worden ist. Das haben die Grünen in Niedersachsens Landtag vorgeschlagen. Ein solcher »Tag der Befreiung« solle an die Opfer des NS-Regimes und die Schrecken des Krieges erinnern und zugleich Mahnung sein für ein geeintes und friedliches Europa, so ein Antrag der Fraktion.

Eine Interpretation des 8. Mai als Tag der Niederlage und damit der alleinigen Fokussierung auf den militärischen Zusammenbruch verbiete sich in Zeiten des Aufstrebens nationalistischer europafeindlicher Stimmen und verschmähe die Opfer des Naziterrors, bekräftigte Helge Limburg, Innenpolitischer Sprecher der Grünen.

Er blickte zurück auf die viel beachtete Rede, mit der Bundespräsident Richard von Weizsäcker (CDU) am 8. Mai 1985 die Bedeutung dieses Datums hervorgehoben hatte. Zur Versöhnung mit allen, die der Nazi-Diktatur und ihren Folgen ausgesetzt waren, hatte er aufgerufen und gemahnt: Deutschland könne des 8. Mai nicht gedenken, ohne sich bewusst zu machen, welche Überwindung die Bereitschaft zur Aussöhnung den ehemaligen Feinden abverlange.

Den Hinweis auf diese Rede griff Bernd Busemann (CDU) auf und erinnerte, dass der Präsident damals betont hatte: »Der 8. Mai ist für uns Deutsche kein Tag zum Feiern.« Die Menschen, die ihn 1945 bewusst erlebten, denken an ganz unterschiedliche Erfahrungen zurück, hatte Weizsäcker zu bedenken gegeben. »Der eine kehrte heim, der andere wurde heimatlos - dieser wurde befreit, für jenen begann die Gefangenschaft.« Mit ähnlichen Gedanken wandte sich Busemann ans Plenum, und er sieht voraus: Ein zusätzlicher freier Tag werde von den Gewerkschaften wahrscheinlich begrüßt, von Unternehmern dagegen wohl kaum. Doch könne ein so großes historisches Datum auch anders gewürdigt werden, vielleicht mit einem Historiker-Symposium, empfahl der Unionspolitiker.

Auf welche Art und Weise der 8. Mai gewürdigt wird - darüber müsse noch diskutiert werden, gab Ulrich Watermann (SPD) zu verstehen. Wie auch immer: Es sei wichtig, sich mit diesem Tag auseinanderzusetzen, »in einer Zeit, in der wir wieder erleben müssen, dass die Demokratie gefährdet ist«. Deutlich müsse an das Schreckensregime und sein Ende erinnert werden. Zumal heute manche politische Kräfte den Eindruck vermitteln, dass sie schnell »daran vorbeigehen möchten und dass sie das Vergessen vor das Erinnern stellen«. Fest steht: Erinnert wird in Niedersachsen am 8. Mai 2020. Ob mit offiziellen Veranstaltungen oder einem einmaligen gesetzlichen Feiertag - die Diskussion geht nun auf Ausschussebene weiter.

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