Onlineparteitag der Piraten

Bedeutungslos gewordene Gruppierung arbeitet an ihrem Programm für die Landtagswahl

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 4 Min.

Was macht eigentlich die Piratenpartei? Wir erinnern uns: 2006 nach einem Vorbild in Schweden gegründet, hatten die politischen Freibeuter in den Jahren 2009 bis 2013 in Deutschland ordentlich Wind in den Segeln. 8,9 Prozent erzielten sie 2011 bei der Berliner Abgeordnetenhauswahl.

In Brandenburg hatten die Piraten in dieser Phase rund 1000 Mitglieder und bewegten sich damit immerhin auf Augenhöhe mit den Grünen und mit der FDP. Den Piraten waren hier im Bundesland auch Menschen beigetreten, die es vorher bei der Wahlalternative Arbeit & soziale Gerechtigkeit (WASG) probiert hatten und sich nach der Vereinigung der WASG mit der PDS zur Linkspartei nicht angemessen berücksichtigt fühlten.

Fakten-Piraten in Brandenburg

Auf der Landesliste der Piraten für die Landtagswahl stehen sechs Männer und zwei Frauen.

Offiziell haben die Piraten in Brandenburg noch 500 Mitglieder. Da sind allerdings Karteileichen dabei, die lange nicht mehr oder noch nie Beiträge entrichtet haben.

Stimmberechtigt, weil sie bezahlt haben, sind momentan nur 68 Mitglieder, aktiv insgesamt etwa 100.

Die neuerlichen Debatten über das Urheberrecht und Filter fürs Hochladen von Dateien im Internet - es hat deswegen zuletzt große Demonstrationen gegeben - verschafften den Piraten etwas Aufwind. Bundesweit führte dies zu etwa 100 Neueintritten, davon eine Handvoll in Brandenburg. af

Stark wurden die Piraten nicht allein wegen der Debatten um das Urheberrecht in Zeiten des Internets, nicht allein, weil sie männliche Computerfreaks begeistern konnten. Die Unschärfe ihres übrigen Programms führte auch dazu, dass links bis rechts eingestellte Protestwähler alle möglichen Wünsche mit den Piraten verbanden, obwohl diese sich dazu gar nicht geäußert hatten.

Als die Piraten mit ansehnlichen Ergebnissen einige Parlamente kaperten, wurde dies mit dem Aufstieg der Grünen Anfang der 1980er Jahre verglichen und die Etablierung einer neuen Partei in der Bundesrepublik vorhergesagt. Doch bis auf einige Ausnahmen konnten die Piraten personell nicht mithalten. Die Abgeordneten sahen sich genötigt, zu Fragen außerhalb ihres Kernthemas Stellung zu nehmen. Sie blamierten nicht selten sich und ihre Partei durch eine himmelschreiende Unkenntnis.

Brandenburgs Piraten hatten Pech. In der Zeit des Höhenflugs ihrer Partei waren in Brandenburg gerade keine Landtagswahlen. 2009 waren sie noch nicht angetreten, 2014 erhielten sie lediglich 1,5 Prozent. Ihre ehemalige Landesvorsitzende Anke Domscheit-Berg sitzt zwar seit 2017 im Bundestag, allerdings für die LINKE. Auch in Berlin sind etliche Mitglieder zur Linkspartei gewechselt. Dort wanderte auch ein erheblicher Teil der Protestwähler zur AfD ab.

Was machen die brandenburgischen Piraten jetzt? Sie bereiten sich auf die Landtagswahl am 1. September 2019 vor. Dazu gab es am Sonnabend einen Parteitag, der stilecht online abgehalten wurde. Elf stimmberechtigten Mitglieder durften per Internet miteinander sprechen und durch Herüberwechseln in verschiedene virtuelle Räume Änderungsanträge abstimmen. Sie konnten sich dabei nicht sehen, aber hören.

Dazu bediente sich der Landesverband einer Software, die Computerspieler verwenden, um sich als Team miteinander zu verständigen, wenn das in dem betreffenden Onlinespiel nicht vorgesehen ist. »Piraten-Wiki«, »Mumble«, »Server« und »Download« lauteten die Stichworte, mit denen der Vizelandesvorsitzende Guido Körber half, sich am Rechner bis zur Audiokonferenz des Onlineparteitags OPT 19.1 durchzufinden. Für einen Laien war das allein nicht ganz einfach. Körber aber nannte die Software kompakt und leicht verständlich, gab allerdings schmunzelnd zu, dass er Informatiker sei.

Die Grundlage des neuen Wahlprogramms bildet das alte Wahlprogramm von 2014, das für seine Wiederverwendung entrümpelt wird. So hieß es beim Onlineparteitag, das Kapitel zum umstrittenen Freihandelsabkommen TTIP, das die EU mit den USA abschließen wollte, könne entfernt werden, da das Abkommen vorerst vom Tisch sei. Auch könne die Forderung nach einer Kennzeichnungspflicht entfernt werden, da sie erfüllt sei. Brandenburgs Polizisten tragen inzwischen entweder Namensschilder oder sind in den Einsatzhundertschaften über Nummern zu identifizieren. Auffällig bei der Diskussion waren Äußerungen wie »Schön, dass das Bildungsprogramm entideologisiert wurde« oder »Ich bin dafür, dass wir ideologische Reste zusammenkehren«. Dagegen sollte als Alleinstellungsmerkmal der Piraten der 3D-Druck an den Schulen im Wahlprogramm drin bleiben. Fertig ist das Wahlprogramm noch lange nicht. Am 1. Juni soll es auf einem echten Parteitag mit real anwesenden Mitgliedern weiter beraten werden. Beschlossen wird es dann wahrscheinlich ein paar Wochen später bei einem erneuten Onlineparteitag.

Ziel der Piraten sei es durchaus, die Fünf-Prozent-Hürde zu schaffen und in den Landtag einzuziehen, sagte Körber. Ob das aber realistisch sei, wollte er jetzt nicht mutmaßen. »Fragen sie mich das am 27. Mai«, bat er. Am 26. Mai sind Europa- und Kommunalwahlen. Wenn die Piraten bei der Europawahl in verschiedenen Staaten gut abschneiden - sie hoffen auf vier bis sechs EU-Abgeordnete allein aus Tschechien - dann könnte das für die Landtagswahl eine frische Brise bescheren.

Bei den Kommunalwahlen in Brandenburg treten die Piraten punktuell an, teils in Listenverbindungen mit den Freien Wählern oder mit der Satiretruppe »Die Partei«. Einige Kreistagsabgeordnete, Stadtverordnete und Gemeindevertreter der Piraten gibt es schon. Was sich von diesen Mandaten verteidigen lässt, lässt sich schwer einschätzen.

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