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Eine Kiste gegen Rechts
Das Aktionsbündnis gegen Fremdenfeindlichkeit berät über den Umgang mit der AfD
»Da nehme ich gleich ein ganzes Päckchen von mit.« Stefan Heissenberger vom Diakonischen Werk der evangelischen Kirche findet die »Ideen-Kiste«, die das brandenburgische Aktionsbündnis gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit am Sonnabend im Begegnungszentrum »Oskar« im Potsdamer Stadtteil Drewitz zusammen mit den großen Wohlfahrtsverbänden und dem DGB vorstellt, richtig gut. Er sei als Österreicher 2012 nach Brandenburg gekommen - »und ich war froh, dass es hier keine FPÖ gab«. Aber nun gibt es seit einigen Jahren die AfD und Heissenberger bildet im Projekt »Demokratie gewinnt in Brandenburg!« hauptberuflich sogenannte Demokratieberater aus. Da ist er für jeden Vorschlag und jede Strategie gegen den wachsenden Druck von Rechts dankbar. »Klar haben wir uns an dem Bündnis beteiligt«, sagt er. Es geht ihm um ein »Brandenburg für alle«.
So sehen das auch die mehr als 80 Menschen, die der Einladung zum 53. Öffentlichen Plenum des 1997 gegründeten Aktionsbündnisses gefolgt sind. Die »Ideen-Kiste« nehmen viele von ihnen am Ende des Tages mit, viele nehmen gleich mehrere.
2019 ist in Brandenburg ein Superwahljahr. Am 26. Mai findet hier zeitgleich mit der Europawahl auch die Kommunalwahl statt. Dann folgt am 1. September die Landtagswahl. Rechte Gruppierungen und Parteien heizen längst die Stimmung im Bundesland an und schüren Unsicherheit mit ihrer Politik der Angst vor Vielfalt, vor dem Untergang Deutschlands, Angst vor Migrant*innen, vor Muslimen und Muslimas. Wen sie als politische Gegner*innen betrachten, versuchen sie massiv einzuschüchtern und anzugreifen. Für das Jahr 2018 zählte der Verein »Opferperspektive« 174 rechten Gewalttaten.
Eintausend Stück der »Ideen-Kiste«, sagt der Aktionsbündnis-Vorsitzende Thomas Wisch, habe man anfertigen lassen und die sollen nun schnell unter die Leute. Man kann sie kostenlos beim Aktionsbündnis bestellen. Unscheinbar sieht sie aus, die Kiste. Flach wie ein Pizzakarton, bedruckt mit dem Motto: »Wir lassen uns nicht hetzen.« Innen klappert es: Situationskarten, ein Quiz, ein Programm für ein »Mobiles Kino« und noch einige Utensilien, die zu Tatkräftigkeit gegen Rechts einladen. Maica Vierkant, Mitarbeiterin der Geschäftsstelle, hat sie mitentwickelt: »Wir wollen den Menschen im Land Brandenburg etwas an die Hand geben, mit dem sie selbst etwas gegen Rechts tun können.«
Etwas Spielerisches, etwas, das zum Diskutieren und Nachdenken, aber auch zur Interaktion anregt, sei besser, »als nur Moral zu predigen«, meint auch Ulrike Kostka, Direktorin des Caritasverbandes für das Erzbistum Berlin. »Aber natürlich ist die Initiative hinter ›Wir lassen uns nicht hetzen‹ bitter ernst.« Es sei nämlich gar nicht so einfach, zu sagen, man lasse sich von Rechten nicht hetzen, während genau dies bereits geschieht. »Ich erlebe aber auch immer mehr Menschen, die einmal demokratisch gesinnt waren und nun rechte Positionen vertreten. Diese sind hoffähig geworden.« Dabei, so Kostka, gehe es nicht nur um Hetze gegen Geflüchtete, sondern auch um die Hetze gegen behinderte und arme Menschen. Was passiert, wenn rechte Parteien an der Macht ihre Sozialgesetzgebung durchsetzen, könne man sich am Beispiel Österreich ansehen. »Menschen werden faktisch an den Rand der Gesellschaft gedrängt.«
In der Gesprächsrunde mit den Landesvorsitzenden von SPD, CDU, LINKE, Grüne und Freie Wähler haben diese ihre »klare Kante gegen Rechts« und »für ein weltoffenes Brandenburg« noch einmal bekräftigt, so Thomas Wisch. Schon zum Bundestagswahlkampf 2017 hatten die Landesverbände dieser Parteien eine gemeinsame »Erklärung gegen Rechtsextremismus und Rechtspopulismus« unterzeichnet. Die AfD hatte diese Erklärung damals nicht unterschrieben und war deswegen am Sonnabend ins Begegnungszentrum »Oskar« nicht eingeladen. In der jüngsten Wahlprognose des Meinungsforschungsinstituts INSA lag die AfD in Brandenburg bei 19 Prozent und damit knapp hinter SPD und CDU (je 21 Prozent) und vor der Linkspartei (17 Prozent).
Mit Kampagnen der AfD, mit rechten Angriffen und Hassreden setzten sich im »Oskar« vier mehrstündige Workshops mit Expert*innen aus der Zivilgesellschaft und aus der politischen Bildung auseinander. Zusammen mit der »Ideen-Kiste« ein erster Vorgeschmack auf die nächsten Monate im Land Brandenburg - das, so Ulrike Kostka, »so viel mehr ist als Rechtspopulismus«.
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