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Polizeieinsatz bei Besetzung könnte parlamentarisches Nachspiel haben
LINKE und Grüne fordern Aufklärung über die gewaltsame Räumung eines leerstehenden Ladenlokals in Kreuzberg
»Auf einmal stürmten die Polizeibeamten ohne Vorwarnung in die Menge hinein und prügelten auf die Leute ein.« So schildert der partizipationspolitische Sprecher der Berliner LINKEN, Hakan Taş, gegenüber »nd« die Geschehnisse rund um die Räumung des Ladenlokals in der Wrangelstraße 77 in Berlin-Kreuzberg, das am Samstag am Rande der Mietenwahnsinn-Demonstration kurzzeitig besetzt worden war. Auch Katrin Schmidberger, mietenpolitische Sprecherin der Grünen, ist noch immer schockiert über die aggressive Stimmung vor Ort: »Es hat mich sehr erschreckt, mit was für einer Brutalität die Polizei gegen die Leute vorgegangen ist.«
Am Samstag hatten Aktivist*innen der besetzen-Initiative den seit drei Jahren leer stehenden Gemüseladen Bizim Bakkal besetzt. Man habe mit der Besetzung die Forderungen der 40 000 Teilnehmer*innen der Demo gegen Mietenwahnsinn und Verdrängung praktisch umgesetzt »und damit angefangen, uns unsere Kieze zurückzuholen«, heißt es in einer Mitteilung. Viele Demonstrant*innen hätten sich dem Vorhaben, in dem leerstehenden Laden ein unkommerzielles Nachbarschaftszentrum einzurichten, vor Ort angeschlossen und ein Eindringen der Beamten in den besetzten Laden durch Blockaden verhindert. Daraufhin habe die Polizei »ohne gültigen Räumungstitel, ohne Kontakt zum Eigentümer und unter Einsatz massiver Gewalt« geräumt, so die Aktivist*innen. »Die Menschen im Laden, sowie Demonstrant*innen davor wurden verhaftet und viele anwesende Aktivist*innen und solidarische Nachbar*innen durch Knüppel und Pfefferspray verletzt.«
Für Katina Schubert, die für die LINKE im Abgeordnetenhaus sitzt und selbst vor Ort war, »ein völlig unverhältnismäßiger Polizeieinsatz«. Die Polizei habe die Menschen ohne jeglichen Anlass geschubst und zu Boden gezogen, auch sie selbst sei dadurch zu Boden gestürzt. »Das steht in keinem Verhältnis zu dem, was dort geschehen ist, nämlich, dass ein seit drei Jahren aus Spekulationszwecken leerstehender Laden kurzfristig besetzt wurde«, so die Berliner Landeschefin der LINKEN zu »nd«.
Die Berliner Polizei stellt den Vorgang anders dar: Drei Personen seien in das Geschäft eingedrungen, 300 weitere Personen hätten sich solidarisch gezeigt und versucht, ebenfalls in das Haus zu gelangen. »Einsatzkräfte, die den Eingang von außen sichern wollten, wurden zurückgedrängt und vereinzelt mit Flaschen beworfen«, so die Polizei. Deshalb habe man den Gehweg vor dem Objekt geräumt und den Zugang gesichert: »Ohne Einsatz körperlicher Gewalt war dies nicht möglich.«
Dass die Polizei ohne Räumungstitel vorging, bestätigt ein Sprecher gegenüber »nd«. Die Einsatzkräfte hätten die Aktion nicht als Besetzung, sondern als Hausfriedensbruch gewertet und seien sofort dagegen vorgegangen. 16 Personen seien festgenommen und 22 Ermittlungsverfahren eingeleitet worden. Nun sei man dabei, die Videos auszuwerten, auch um mögliches Fehlverhalten von Einsatzbeamt*innen zu untersuchen.
Deren Verhalten ist für die Augenzeug*innen nur schwer zu begreifen: »Warum die Polizei plötzlich dermaßen eskaliert hat, entzieht sich nach wie vor meiner Kenntnis«, sagt Katina Schubert. »All die Beteuerungen, da wären gewaltbereite Menschen vor dem Laden gewesen, kann ich nicht bestätigen, ich stand davor und hab keine gesehen.« In Richtung des zuständigen Innensenators, Andreas Geisel (SPD), mit dem die Parlamentarier*innen während des Einsatzes sogar Kontakt hatten, stellt sie die Frage: »Gibt es eigentlich noch so etwas wie eine politische Führung, oder entscheidet die Polizei alleine?«
Die Senatsverwaltung für Inneres erklärte auf Nachfrage, dass sie die Ereignisse und Rahmenbedingungen des Einsatzes zurzeit noch prüfe und man sich erst danach öffentlich äußern wolle. Für Kurt Wansner von der oppositionellen CDU-Fraktion ist hingegen jetzt schon klar, dass die Kritik von LINKEN und Grünen »völlig absurd« ist: »Ihre Haltung ist ein Rückfall in schlimmste Hausbesetzerzeiten.«
Vertreter*innen von Grünen und Linken fordern nun eine parlamentarische Aufarbeitung des Vorfalls. Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Canan Bayram, die ebenfalls vor Ort war, fordert Einsicht in das Einsatzprotokoll, um zu klären, »wieso dieser relativ friedliche Protest so eskaliert ist«. Der innenpolitische Sprecher der Grünen, Benedikt Lux, will noch vor der nächsten Sitzung des Innenausschusses im Mai Gespräche darüber führen. Sein Amtskollege von den LINKEN, Niklas Schrader, meldet ebenfalls Gesprächsbedarf an.
Das besetzen-Bündnis will derweil weitermachen: »Wir werden weiter besetzen, solange, bis wir es nicht mehr müssen«, so die Sprecherinnen Alisia Ney und Jona Sommer.
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