Demonstrieren trotz Tränengas und scharfer Munition

Proteste im Sudan: Stunde der Wahrheit für Präsident Al-Baschir?

  • Gioia Forster
  • Lesedauer: 3 Min.

Khartum. Ist für Sudans Langzeitherrscher Omar al-Baschir die Zeit abgelaufen? Das hoffen jedenfalls Tausende Menschen, die erneut mit einer Sitzblockade vor der Zentrale der Streitkräfte in der Hauptstadt Khartum demonstrierten. Die Regierungsgegner lassen sich offenbar auch nicht von scharfer Munition, Tränengas und Massenfestnahmen einschüchtern.

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Al-Baschir regiert den Sudan seit 30 Jahren mit harter Hand. 1989 putschte er sich an die Macht, seitdem hat er Intrigen überstanden, aufständische Provinzen wie Darfur mit Gewalt gefügig gemacht und den unruhigen Südsudan in die Unabhängigkeit entlassen. Selbst zwei Haftbefehle des Weltstrafgerichtshofs wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und US-Sanktionen konnten ihm nichts anhaben.

Doch die von der jüngsten Wirtschaftskrise ausgelösten Proteste entwickeln sich zu einer existenziellen Bedrohung für den 75-Jährigen. So lange er noch die Sicherheitskräfte kontrolliert, meinen Experten, kann er sich weiter an der Macht halten. Die jüngste Protestwelle hat erste Risse in der Fassade des Sicherheitsapparates gezeigt.

Al-Baschir hat zwar Versuche gestartet, dagegenzuwirken: Er rief im Februar einen Ausnahmezustand aus, löste die nationale Regierung sowie die der Bundesstaaten auf und erklärte, er werde als Präsident der Regierungspartei zurücktreten. Doch all dies entschärfte die Spannungen nicht - ganz im Gegenteil. Seit Samstag protestieren erneut Zehntausende Menschen auf den Straßen. Und Sicherheitskräfte gehen mit aller Gewalt dagegen vor, Amnesty International zufolge sogar mit scharfer Munition. Demnach sind bislang mindestens neun Menschen getötet worden, laut eines Ärzteverbandes 21 Menschen.

Weltweit wird die Kritik immer lauter. UN-Generalsekretär António Guterres hatte jüngst alle Beteiligten aufgerufen, »Gewalt zu vermeiden«. UN-Menschenrechtskommissarin Michelle Bachelet sagte am Dienstag, die Behörden hätten eine »überwiegende Verantwortung«, die Demonstranten zu schützen. Man rufe die Regierung auf, einen »aufrichtigen Dialog« zu starten, um diese komplexe Lage zu lösen, sagte Bachelets Sprecherin Ravina Shamdasani. Die USA, Großbritannien und Norwegen hatten zudem die Behörden aufgefordert, einen »glaubwürdigen Plan« für einen politischen Wandel vorzulegen.

Der Sudan befindet sich seit Jahren in einer schweren Wirtschaftskrise. Das liegt vor allem daran, dass das Land mit der Abspaltung des Südsudans 2011 die meisten seiner Ölfelder verlor. Zuvor machte Öl der Weltbank zufolge die Hälfte der Staatseinnahmen und 95 Prozent der Exporte aus. Auch die Aufhebung der US-Sanktionen 2017 brachte nicht den erhofften wirtschaftlichen Aufschwung. Ende 2018 wurden Benzin- und Brotpreise erhöht und Tausende Menschen gingen auf die Straße.

Die Wut richtete sich schließlich gegen Al-Baschir selbst. Besonders gefährlich für ihn: Die Demonstranten seien nicht alles Menschen, die bislang in der Opposition waren, erklärt Sudan-Expertin Annette Weber von der Stiftung Wissenschaft und Politik. Sondern durchaus ehemalige Unterstützer Al-Baschirs. Ärzte, Lehrer, Professoren, Studenten und Verwandte von jenen, die Al-Baschirs Regime stützen.

Kann sich Al-Baschir noch halten? »Die nächsten Tage werden ganz entscheidend sein«, sagt Weber. Zum einen kommt es demnach darauf an, ob sich die Streitkräfte spalten oder nicht. Denn während der Proteste hatten sich zeitweise zumindest Teile der Armee hinter die Demonstranten gestellt und sich mit Sicherheitskräften Schusswechsel geliefert. Behalte der 75-Jährige allerdings die Kontrolle über den Großteil der Sicherheitsorgane, könne er womöglich die Krise aussitzen, sagt Weber. Auch ist laut der Sudan-Expertin entscheidend, ob die Demonstranten weiter friedlich bleiben und ob der Präsident darauf setzt, mit Gewalt seine Macht zu erhalten.

Für Dialog ist es aber womöglich zu spät. »Ich glaube, diese Zeiten sind vorbei«, sagt Weber. »Die Protestierenden wollen mit Al-Baschir nicht mehr sprechen.« dpa/nd

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