Wachteleier-Werbung verwirrt

Auf der Packung steht »Bodenhaltung« - die Tiere hausen in Käfigen - Behörde in Niedersachsen: Das ist korrekt

  • Hagen Jung
  • Lesedauer: 3 Min.

Zum nahenden Osterfest mal etwas Besonderes auf den Frühstückstisch legen? Als Alternative zum traditionellen bunten Hühnerei bietet sich das der Wachtel an. Es lässt sich ebenfalls gut färben, ist klein, irgendwie niedlich, wirkt originell mit seinen dunklen Tupfern und schmeckt zudem so richtig gut. Von solchen Gedanken bewegt, mögen nicht wenige Kunden guten Gewissens zu den Sechserpacks gegriffen haben, auf denen das Etikett verspricht: »Aus Bodenhaltung«. Und ein Bild darüber zeigt genau das, was sich die Käufer darunter vorstellen: Eine glückliche Wachtel im Strohnest, umgeben von grüner Wiese. Die Wirklichkeit sieht anders aus, etwa bei einem Wachtelei-Produzenten im Westen Niedersachsens im Kreis Vechta.

Dort haben Aktivisten der Organisation »Deutsches Tierschutzbüro« die Realität gefilmt. Rund 10 000 Wachtelhennen fristen in Gitterkäfigen ihr Dasein, legen für den Profit ihres Besitzers Ei um Ei. Keine grüne Wiese, nicht mal ein Stall mit Einstreu am Boden, auf dem die Tiere herumlaufen und scharren können. »Das ist doch keine Bodenhaltung«, dürften vermutlich viele Eierkäufer kopfschüttelnd bemängeln, wenn sie denn der Eigentümer in sein Wachtelquartier hinein lassen würde. Wieso wird dann auf der Verpackung mit diesem Begriff geworben, der doch ein halbwegs glückliches Hennenleben signalisiert? Das verwirrt. Steht Betrug im Raum?

Nein. Zumindest nicht aus Sicht der zuständigen Behörde, der Kreisverwaltung in Vechta. Ihr Amtstierarzt attestiert dem Wachtelbetrieb, dieser betreibe durchaus Bodenhaltung, denn: Ein Teilbereich der Käfige - der Veterinär nennt sie im Gespräch mit dem NDR »Abteile« - sei »als feste Fläche, als Scharr-Raum« ausgebildet. Diese Platten innerhalb der Wachtel-Behausungen sollen also der Boden sein, der das »Haltungsprädikat« rechtfertigt? Viele Verbraucher mögen das zwar kaum glauben, aber der Tierarzt ist offensichtlich anderer Meinung. Und die ist nun mal amtlich.

Eine andere Amtsperson, Niedersachsens Landesbeauftragte für den Tierschutz, Michaela Dämmrich, teilt die Auffassung des Kreisveterinärs nicht. »So werden Verbraucher getäuscht«, kommentiert sie das Bodenhaltung-Etikett gegenüber dem Fernsehteam von »Hallo Niedersachsen«. Und die Wachtelhaltung in besagtem Betrieb sei »nicht artgerecht«. Der Eierproduzent weist solche Vorwürfe zurück.

Das »Deutsche Tierschutzbüro« indes hat gegen den Betrieb Strafanzeige wegen Verdachts der Tierquälerei gestellt, wirft ihm vor, die Wachteln in einem abgedunkelten Raum zu halten, in engen Käfigen in einer Art und Weise, die bei den Vögeln zu Verhaltensstörungen führten. »Sie picken sich die Federn aus, und immer wieder sieht man verletzte Tiere«, berichten die Aktivisten.

Sie haben nicht nur die Strafverfolgungsbehörden über Eindrücke aus dem Betrieb informiert, sondern auch die Handelskette Edeka, die Eier aus dem Wachtelhof vertreibt. Das Supermarktmanagement reagierte, schrieb dem Tierschutzbüro, der Betrieb in Vechta sei »vorläufig für die Belieferung unserer Märkte gesperrt« worden. Das Unternehmen forderte die zuständigen Behörden auf, »unverzüglich Kontrollen einzuleiten und die Vorwürfe zu klären«. Darum kümmert sich inzwischen das Niedersächsische Ministerium für Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Es hat seinen Tierschutzdienst beauftragt, die Eierfirma zu überprüfen.

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