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Jobcenter müssen ihre Arbeitslosen-Zahlen korrigieren

Der Rechnungshof kritisiert, dass zu wenig Menschen als arbeitslos gezählt werden

  • Basil Wegener
  • Lesedauer: 4 Min.

Berlin. Hunderttausendfach sollen Arbeitslose nicht als solche gezählt worden sein. Nun sollen die Jobcenter ihre Angaben regelmäßig überprüfen. Kritik an der Arbeitslosenstatistik gibt es trotzdem.

Nach Kritik an angeblich fehlerhafter Zählung von Arbeitslosen sollen die Jobcenter die Angaben regelmäßig überprüfen. Bei Bedarf sollen die Zahlen korrigiert werden, wie eine Sprecherin der Bundesagentur für Arbeit (BA) der Deutschen Presse-Agentur in Berlin sagte. Dazu sei eine entsprechende Weisung in Kraft getreten. Auf die angeblichen Erfassungsfehler bei Hartz-IV-Empfängern in großem Stil hatte der Bundesrechnungshof aufmerksam gemacht.

In einem bisher unveröffentlichten Bericht stellten die Rechnungsprüfer Ende Februar fest, dass die Jobcenter zuletzt rund 290.000 Menschen mit einem falschen Status an die BA-Statistik gemeldet hätten - das entspricht 8,6 Prozent der Leistungsempfänger. Demnach waren rund 115.000 Arbeitslose nicht als solche erfasst worden. Die Rechnungsprüfer zogen laut dem der dpa vorliegenden Bericht dabei bereits jene ab, die fälschlich und somit zu viel als arbeitslos registriert gewesen seien. Der Rechnungshof stützte sich auf eine Stichprobe von 770 Fällen in 219 Jobcentern.

Lesen Sie hier den Hintergrund: Kaum was drin mit Hartz IV

Jobcenter müssen künftig Prüfsysteme anwenden

Die neue Weisung verpflichte die Jobcenter, regelmäßig automatisierte Prüfsysteme zu nutzen, erklärte die BA-Sprecherin. Gefunden werden sollen Fälle, in denen der Status oder die Daten von Betroffenen im IT-System der BA unplausibel oder unstimmig erscheinen. Die Weisung sei mit dem Bundesarbeitsministerium, den kommunalen Spitzenverbänden und den Bundesländern abgestimmt. Im März hatte die »Bild« über die Kritik der Rechnungsprüfer berichtet. Damals hatte die BA Verbesserungen angekündigt.

Eine falsche Erfassung rührt laut den Rechnungsprüfern vor allem von fehlenden Beratungsgesprächen etwa nach dem Ende einer Eingliederungsmaßnahme her. Die Jobcenter hätten also Änderungen bei ihren Kunden nicht im Gespräch mitbekommen. »Die Betreuung durch die Jobcenter war häufig über mehrere Monate unterbrochen«, so der Rechnungshof-Bericht. Dagegen versäumten es die Leistungsempfänger »nur in Einzelfällen«, Änderungen wie einen nahenden Job mitzuteilen.

Der Status der Betroffenen wird mit Computerprogrammen erfasst. Die BA erläuterte: »Alle Daten von Kunden der Jobcenter, auch der Status, werden im Gespräch erfasst und händisch eingegeben.« Die Rechnungsprüfer machten darauf aufmerksam, dass die Mitarbeiter der Jobcenter es hierbei mit rund 1040 Seiten voller Regeln zur Dokumentation zu tun hätten. Sie beachteten, beherrschten oder überblickten die vielen und häufig unverbindlichen Arbeitshilfen wohl nicht immer, so ihr Bericht. Die BA versprach auch eine noch intensivere Kundenbetreuung.

Linkspartei kritisiert Arbeitslosen-Statistiken

Dass überhaupt so genau etwa zwischen arbeitslos und arbeitssuchend unterschieden wird, hängt mit den Grundlagen der Statistik zusammen. Längst nicht alle Menschen ohne Arbeit sind offiziell arbeitslos. Die LINKE-Bundestagsabgeordnete Sabine Zimmermann sagte deshalb der Deutschen Presse-Agentur: »Die Bundesregierung rechnet sich die Zahlen schön.« Jeden Monat gibt die BA bei der Vorlage der Arbeitsmarktstatistik unterschiedliche Zahlen an.

So waren im März 2,301 Millionen Männer und Frauen ohne Job. Doch die Unterbeschäftigung liegt bei 3,254 Millionen - hier ist etwa auch mitgezählt, wer Aus- und Fortbildungen oder Förderkurse absolviert. Das Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB) gibt auch eine »stille Reserve im engeren Sinn« an - gemeint ist, wer nicht aktiv nach Arbeit sucht, einen Job aber bei noch besserer Arbeitsmarktlage mit für ihn passenden Bedingungen aufnehmen würde. Für 2019 rechnet das IAB hier mit 290.000 Menschen.

Problematische Zähler-Vorgaben

Immer wieder veränderte der Gesetzgeber die Zählweise. Dass Teilnehmer an Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik nicht als arbeitslos gelten, geht zum Beispiel auf eine Gesetzesänderung aus dem Jahr 2004 zurück. Seit 2008 gelten Hartz-IV-Bezieher ab 59 Jahren nicht mehr als arbeitslos, wenn ihnen ein Jahr lang keine Beschäftigung angeboten wurde. Die BA kritisierte dies damals in einer Stellungnahme: Dass Arbeitsplätze fehlten, werde zum Kriterium dafür, Menschen aus der Arbeitslosenstatistik auszuschließen. Das setze die BA dem »Risiko eines Vorwurfs der Manipulation von Arbeitslosenzahlen« aus. Die LINKEN-Abgeordnete Zimmermann forderte nun ein Zahlenwerk, »die das wahre Ausmaß des Problems korrekt abbildet und keine künstliche Beschönigung der Zahlen zulässt«. dpa/nd

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