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Auf der Suche nach Ankerzentren
Bundesinnenministerium will die auf Bayern konzentrierten Einrichtungen bundesweit etablieren
Das Bundesinnenministerium lobt die sogenannten Ankerzentren, weil diese der Beschleunigung der Asylverfahren dienten. Alle beteiligten Behörden seien hier konzentriert, die betroffenen Flüchtlinge seien ständig verfügbar und könnten sogleich abgeschoben werden, wenn ihr Antrag abgelehnt sei. Das Urteil von Flüchtlingsräten oder Anwälten ist ein gegenteiliges.
Auch wenn die Asylverfahren schneller beendet würden, säßen die Betroffenen dennoch über die Maßen lange in den Lagern, wenn sie gegen die Entscheidung klagten oder aus anderen Gründen nicht abgeschoben werden könnten. Die Gesellschaft für deutsche Sprache setzte den Begriff auf Platz drei der Wörter des Jahres 2018. Und die Aversionen haben nicht nachgelassen.
Hilfsorganisationen weisen darauf hin, dass Ankerzentren sich nicht wesentlich unterscheiden von anderen Aufnahmezentren, in denen die untergebrachten Menschen isoliert sind, es schwer haben, Rechtsbeistand zu finden oder die deutsche Sprache zu lernen. In einer Stellungnahme von Pro Asyl hieß es, die Isolation in solchen Zentren behindere die Integration derjenigen, die in Deutschland bleiben werden.
Wie die Nachrichtenagentur dpa am Montag meldete, sucht das Bundesinnenministerium dennoch weitere Verbündete bei der Einrichtung solcher Lager. Bisher existieren neben den sieben Ankerzentren in Bayern je eines in Sachsen und im Saarland, kürzlich erklärte sich auch Mecklenburg-Vorpommern bereit, eine Aufnahmeeinrichtung zum Ankerzentrum umzuwidmen. Den Namen Ankerzentrum - An(kunft), k(ommunale Verteilung), E(ntscheidung) und R(ückführung) - solle es dennoch nicht tragen, hieß es.
Laut dpa steht das Bundesinnenministerium im Gespräch mit weiteren Bundesländern. »Mit Sachsen sind wir im Gespräch, zwei weitere Zentren zu errichten, nämlich in Chemnitz und Leipzig«, wird Staatssekretär Helmut Teichmann zitiert. Wahrscheinlich sollten zudem noch bis Ende Juni Vereinbarungen mit zwei weiteren Ländern über jeweils eine Einrichtung folgen. »Und weitere Bundesländer haben sich bei uns gemeldet und Interesse an einer Zusammenarbeit bekundet.«
Das Ministerium spricht dabei inzwischen von »Ankerzentren oder Anker-ähnlichen Zentren«. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), die Bundesagentur für Arbeit, Jugendämter und Ausländerbehörden sollen dort laut Koalitionsvertrag zusammenarbeiten. Wer keinen Schutzstatus erhält, soll direkt aus diesen »Ankerzentren« in sein Herkunftsland zurückkehren oder in ein anderes EU-Land gebracht werden, das für seinen Asylantrag zuständig ist. Gern werden als durchschnittliche Dauer für Neuverfahren rund drei Monate genannt. Doch etwa der bayerische Flüchtlingsrat weist darauf hin, dass eine Unterbringungsdauer von zwei Jahren und länger keine Seltenheit sei. Und die Dauer erhöhe sich weiter.
Die gesetzliche Aufenthaltsfrist von maximal sechs Monaten in Erstaufnahmeeinrichtungen kann bis auf zwei Jahre erhöht werden. In Bayern wird diese Möglichkeit nach Ablehnung eines Schutzes quasi zum Regelfall, wenn nicht sofort abgeschoben werden kann. Das Bundesland von Innenminister Horst Seehofer hatte als eine Art bundesweites Pilotprojekt sieben Einrichtungen zu Ankerzentren erklärt. Mit Agenturen
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