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Beleidigte Polizisten
Der Schriftzug »FCK BFE« landet nun vor dem Bundesverfassungsgericht
Freie Meinungsäußerung oder Beleidigung? Polizisten der Göttinger Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit (BFE) hatten sich durch den Aufdruck »FCK BFE« auf Kleidungstücken beleidigt gefühlt. Ergänzt man in dem Schriftzug ein »u« und übersetzt ihn ins Deutsche, heißt er so viel wie »Scheiß BFE«. Für das Tragen dieser Aufschrift ist ein 28-jähriger Mann zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Nun beschäftigt sein Fall das Bundesverfassungsgericht.
BFE sind spezialisierte Kräfte mit besonderen Aufgaben bei den Bereitschaftspolizeien der Länder und bei der Bundespolizei. In Niedersachsen gibt es jeweils eine BFE in Braunschweig, Oldenburg und Göttingen sowie zwei in Hannover. Sie sind jeweils einer Einsatzhundertschaft zugeordnet, agieren bei Einsätzen aber selbstständig.
Die Göttinger BFE kommt vor allem bei Demonstrationen zum Einsatz. Sie ist wegen ihres ruppigen Auftretens in der linken Szene der Stadt seit Jahren äußerst unbeliebt. Mehrere Dutzend Organisationen fordern die Auflösung der Einheit. Sie werfen der BFE vor, sie wolle durch ihr Verhalten Gegenwehr provozieren. Die BFE schaffe oft erst die Tatbestände, die sie später verfolge. So räumten im Januar 2012 Beamte der Truppe in der Universität mit einem harten Einsatz die Blockade vor einem Hörsaal, in dem der damalige Landesinnenminister Uwe Schünemann (CDU) über innere Sicherheit palaverte - es gab Festnahmen und Verletzte. Im April 2014 ging die BFE mit Tränengas und Hunden gegen 50 Menschen vor, die durch eine Sitzblockade die Abschiebung eines Flüchtlings behinderten. Mehr als ein Dutzend Menschen wurden durch Faustschläge, Schmerzgriffe, Hundebisse und Pfefferspray im Treppenhaus verletzt. Später gab es Strafverfahren - gegen Betroffene der Übergriffe.
Die Kritik an der BFE in Göttingen wird gern auch in Form von Wandmalereien und bedruckten Textilien zum Ausdruck gebracht. Beliebt ist besagte Buchstabenfolge »FCK BFE«. Auch der 28-jährige Göttinger trug unter seiner geöffneten Jacke einen Pullover mit diesem Schriftzug, als er sich 2017 an einer Demonstration vor dem Landgericht beteiligte. Anlass für die Kundgebung, zu der mehrere Gruppen aufgerufen hatten, war der Prozess gegen einen Anführer des rechtsextremen »Freundeskreises Thüringen/Niedersachsen«.
Auch Polizisten waren vor Ort, unter ihnen BFE-Beamte. Sie fühlten sich durch die Aufschrift beleidigt. Der Mann solle die Jacke schließen, verlangten sie. Als der sich weigerte, forderten die Polizisten ihn auf, den Pulli auszuziehen. Dieses Mal kam der 28-Jährige der Aufforderung nach. Unter dem Pullover trug er allerdings ein T-Shirt, auf dem ebenfalls »FCK BFE« stand. Das Amtsgericht Göttingen sah den Straftatbestand der Beleidigung als erfüllt an und verurteilte den Mann zu 15 Tagessätzen à 40 Euro. Das Oberlandesgericht Braunschweig verwarf jetzt mit ähnlicher Begründung eine Revision des Angeklagten.
Jetzt hat der Göttinger Rechtsanwalt Sven Adam Verfassungsbeschwerde eingelegt. Sein Mandant habe den Schriftzug »weder demonstrativ in Richtung bestimmter Beamter gezeigt noch anderweitig Polizeibeamte individualisiert damit angesprochen«, sagte Adam dem »nd«. »Er hat den Pullover und ein T-Shirt darunter lediglich getragen.« Im Übrigen habe das Verfassungsgericht mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass eine Kollektivbeleidigung nur bei Bezug zu einer hinreichend überschaubaren und abgegrenzten Personengruppe strafbar sein könne. Tatsächlich gebe es aber »unzählige Beweissicherungs- und Festnahmeeinheiten« in Deutschland, deren mitunter gewalttätiges Einschreiten bei Demonstration auch zu viel Kritik geführt habe.
2015 hatte sich das Bundesverfassungsgericht in einem vergleichbaren Fall auf die Seite einer jungen Frau aus Niedersachsen gestellt. Sie hatte ein T-Shirt und einen Anstecker mit dem Aufdruck »FCK CPS« getragen, was Polizisten als »Fuck cops« interpretierten und als Beleidigung empfanden. Deutschlands höchste Richter urteilten, die englischsprachige Schmähkritik an der Polizei insgesamt treffe kein Individuum, sondern sei als Meinungskundgebung als Grundrecht geschützt.
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