Entschädigung der alten weißen Männer
Enteignete weiße Farmer sollen Millionen erhalten. Geld dafür will die simbabwische Regierung von Großbritannien
Die Nachricht sorgte international für Aufsehen: Fast 20 Jahre nach den teils gewaltsamen Besetzungen von Farmen will Simbabwe nun weiße Großgrundbesitzer entschädigen, die damals enteignet wurden. So zumindest hatte es die Regierung in Harare in der vergangenen Woche in einer offiziellen Mitteilung verkündet. Das Ziel der Maßnahme ist klar: Simbabwe will Investoren anlocken und braucht dringend Kredite, wobei sich die noch immer bestehenden Sanktionen der EU und der USA als hinderlich erweisen. Mit der Ankündigung will Präsident Emmerson Mnangagwa dem Westen nun signalisieren, dass sein Land kooperieren möchte. Doch unter den Menschen im Land machte er sich mit der Ankündigung nicht nur Freunde - weshalb der Staatschef bereits wieder zurückrudert.
Simbabwe steht vor dem finanziellen Kollaps, die Landeswährung RTGS-Dollar verliert immer mehr an Wert und die Verbraucherpreise steigen ins unermessliche. Erst im Januar hatte eine drastische Erhöhung der Kraftstoffpreise zu Protesten geführt, die das Militär blutig niederschlug. Am Dienstag berichtete die Nachrichtenagentur Reuters, dass sich der Brotpreis im Vergleich zur Vorwoche von 1,80 auf 3,50 RTGS-Dollar (etwa ein Euro) nahezu verdoppelt habe. Durchschnittlich waren die Preise bereits im März gegenüber dem Vorjahresmonat um 66,8 Prozent gestiegen. Da die Gehälter nicht annähernd im gleichen Maße angehoben werden, bedeutet das für viele Simbabwer, dass sie sich kaum noch das Nötigste leisten können.
Geplante Zahlungen an vor Jahrzehnten enteignete Großgrundbesitzer sind in dieser Lage eher schwer vermittelbar - auch wenn die Regierung betonte, genau damit die Wirtschaft ankurbeln zu wollen. »Die Kompensation der ehemaligen weißen Farmer ist nötig, um Vertrauen bei Investoren zu schaffen«, erklärte Vize-Informationsminister Energy Mutodi dieser Tage im Gespräch mit der örtlichen Tageszeitung »NewsDay«.
Präsident Mnangagwa, der Ende 2017 nach einem Militärputsch für den Langzeitpräsidenten Robert Mugabe ins Amt gekommen war, berief sich darauf, dass die Verfassung des Landes Entschädigungen vorschreibe. Bei einem Auftritt vor der Jugendorganisation seiner Regierungspartei ZANU-PF stellte er allerdings auch klar, dass lediglich für Sachwerte wie Gebäude oder Bewässerungsanlagen gezahlt werden solle, nicht aber für den Grund und Boden.
In einem Interview mit der staatlichen »Sunday Mail« schränkte der Präsident dann weiter ein. Es gehe darum, »alte weiße Farmer« auszuzahlen, erklärte Mnangagwa, »wir zahlen keine Kompensationen an die, die fit sind.« Und überhaupt: »Wenn wir das Gefühl haben, dass wir keine Ressourcen haben, kann uns niemand zwingen, irgendetwas zu tun.«
Die nötigen Finanzmittel für Entschädigungszahlungen hat das hoch verschuldete Land mit Sicherheit nicht. Schon das ursprünglich für die Kompensationen veranschlagte Budget von 53 Millionen RTGS-Dollar (etwa 15,5 Millionen Euro) wäre bei etwa 4500 Farmern, die im Jahr 2000 enteignet wurden, eher symbolisch. Ob es wirklich ausgezahlt wird, bleibt aber fraglich. Zudem gab Mnangagwa in dem Interview zu, dass sich die Gesamtentschädigungen auf etwa drei Milliarden RTGS-Dollar belaufen würden.
Eine mögliche Lösung des Problems hatte der Staatschef aber auch noch in Aussicht gestellt. Seine Regierung sei in Gesprächen mit Vertretern der ehemaligen Kolonialmacht Großbritannien, um zu erörtern, wie London sich an den Entschädigungen beteiligen könne. Mnangagwa schiebt den schwarzen Peter damit an den Absender zurück. Die britische Regierung unter Anthony Blair war es schließlich, die in den späten 90ern die im Lancaster-House-Abkommen von 1979 vereinbarten Zahlungen eingestellt hatte, mit denen Simbabwe seine Landreform finanzieren wollte. Unter dem Druck der weitgehend landlosen Bevölkerung versprach der damalige Präsident Mugabe eine radikalere Landreform, bei der ihm die Organisation der Veteranen des Befreiungskampfes mit Farmbesetzungen zuvorkam. Sollte Mnangagwa sich nun durchsetzen, könnte London mit 20-jähriger Verspätung doch noch zur Einhaltung seiner Verpflichtungen gezwungen.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.