- Aus dem Netz gefischt
- Boris Palmer
Zu wenig ignoriert
Netzwoche: Aufmerksamkeitsentzug für Boris Palmer
Da hat er wieder einen rausgehauen, Boris Palmer, grüner Oberbürgermeister Tübingens. Und viele Medien sprangen darauf an, berichteten über die neueste Schimpferei des Politikers. Auf seiner Facebookseite ging Palmer diese Woche auf die Deutsche Bahn los. Diese zeigt auf der Startseite ihrer Homepage unter anderem People of Color, die Zug fahren. Die kleinen Fotos sind Teil der aktuellen Bahn-Kampagne mit deutschen Promis wie der türkischstämmigen Moderatorin Nazan Eckes oder dem schwarzen Fernsehkoch Nelson Müller.
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»Welche Gesellschaft soll das abbilden?« fragte Palmer. Einfach die deutsche Gesellschaft, könnte man antworten. Führe der Grünenpolitiker regelmäßig mit der Bahn, und zwar zweite Klasse, hätte er das mitbekommen können.
Seit mindestens 70 Jahren leben Menschen mit verschiedenen Herkünften und Hauttönen in Deutschland. Sie werden in anderen Ländern geboren und ziehen hierher. Oder haben Großeltern beziehungsweise Eltern aus anderen Ländern. Und nach generationenlanger harter Arbeit sind sie im Fernsehen, in den Universitäten sowie in der Politik angekommen. Wenn auch noch nicht genug. In hohen Entscheidungspositionen sitzen noch zu wenige Menschen aus Einwandererfamilien. So kann es passieren, dass etwa Palmer in ebenjenen Politikkreisen wie auf Oberbürgermeisterebene weiterhin ausblenden kann, wie die deutsche Gesellschaft sich eigentlich wirklich zusammensetzt.
Unzählige Medien berichteten nun über die Zeilen des Grünenpolitikers. Teils empört, seine Aussagen seien rassistisch, teils gelassen, es sei alles halb so wild.
Die Frage ist aber, warum man Palmer eigentlich beachtet. Welche Menschen soll das interessieren? Gibt er doch regelmäßig ausgrenzende Kommentare gegen marginalisierte Personengruppen von sich. Er ist Bürgermeister einer wohlhabenden Stadt, weder Ministerpräsident noch Teil des Bundeskabinetts.
Der Aufreger bei ihm ist, dass er Grüner ist. Das erscheint als Widerspruch zu diskriminierenden oder konservativen Meinungen. Schließlich äußern sich andere Parteimitglieder wohlwollender über etwa Geflüchtete und Migrant*innen. Oder haben nicht das Bedürfnis, zu einer Homepage etwas auf einer Internetplattform zu schreiben.
Dazu kommt, dass Palmer sich selbst ein guter PR-Assistent ist. Durch seine Provokationen hat er sich bereits Aufmerksamkeit erarbeitet, die ihm beim nächsten Aufreger wieder Hingucker einbringt. Aufmerksamkeit freut den Oberbürgermeister scheinbar, deshalb sollte man sie ihm nicht mehr schenken. So teilte er in den letzten Tagen auf Facebook genüsslich die Zeitungsartikel zu seiner Bahn-Aussage und kommentierte sie selbst.
Am Donnerstag hieß es, dass Palmer erst einmal nicht mehr auf Facebook aktiv sein wolle. Womöglich wird es ihm in den Fingern jucken, das durchzuziehen. Aber es gibt ja noch Twitter.
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