Farage will Westminster das Fürchten lehren

Die neue Brexit-Partei will die Politik in Großbritannien aufmischen. Besonders Tories befürchten, dass ihnen die Rechten das Wasser abgraben

  • Peter Stäuber, London
  • Lesedauer: 3 Min.

Mittwochnachmittag in Clacton-on-Sea, einer Küstenstadt in der Grafschaft Essex. Nigel Farage, der einflussreichste Rechtspopulist Großbritanniens, steht vor mehreren hundert Unterstützern und macht das, was er schon seit Jahren macht: Er wettert über die »undemokratische Regierung in London«, die »abgehobene Politiker-Klasse« und den »Brexit-Verrat«. »Wir werden uns wehren!«, ruft Farage. Mit seiner neu gegründeten Brexit Party verspricht der 55-Jährige, die Politik nachhaltig zu verändern und dem »Remain-Parlament« ein Ende zu setzen. Die Partei will den Brexit - das ist ihr einziges Ziel.

In Clacton, einem der EU-skeptischsten Orte im Land, ist ihm der tosende Applaus sicher. Aber auch im Rest des Landes sorgt die Brexit-Partei für Aufmerksamkeit: Laut mehreren Umfragen wird sie bei den Europawahlen am 23. Mai auf dem ersten Platz landen. Dabei wurde die Partei erst vor wenigen Monaten gegründet, der offizielle Launch erfolgte Mitte April. Der Trumpf, den sie in den Händen hält, ist ihr Vorsitzender: Nigel Farage, der charismatische Populist, ist im ganzen Land bekannt und hat in der Vergangenheit erhebliches politisches Geschick gezeigt. An der Spitze der United Kingdom Independence Party (Ukip) führte er die Partei 2014 zu ihrem größten Erfolg: In den damaligen Europawahlen gewann sie fast 27 Prozent der Stimmen und schnitt als stärkste Partei ab.

Wie stark Farages Anziehungskraft noch immer ist, zeigte sich kurz nach der Gründung der neuen Partei: Elf Europa-Abgeordnete liefen von Ukip zur Brexit-Partei über. Vielen war schon länger unwohl unter Farages alter Partei, weil Ukip unter dem neuen Chef Gerard Batten noch weiter nach rechts gerückt ist. Sie macht heute ungeniert gemeinsame Sache mit rechtsextremen Gruppierungen wie der English Defence League und politisiert offen rassistisch; besonderes Steckenpferd ist die Islamophobie.

Demgegenüber versucht die Brexit-Partei, sich der breiten Masse der EU-Gegner als wählbare Alternative zu präsentieren. Schon etliche bekannte Gesichter haben sich als Kandidaten für die Europawahl aufstellen lassen. Darunter ist Annunziata Rees-Mogg, die Schwester des rechtskonservativen Abgeordneten Jacob Rees-Mogg; die sozialkonservative ehemalige Tory-Abgeordnete Ann Widdecombe und der Geschäftsmann und Multimillionär Richard Tice.

Die Partei hat es schon geschafft, die Brexit-Frustration vieler Wähler eiskalt auszunutzen - und zu fördern. »Wir können wieder beginnen, die Abgeordneten das Fürchten zu lehren«, warnte Farage kürzlich; in der erhitzten Stimmung, die derzeit in der britischen Politik herrscht, können solche Aussagen gefährlich sein.

Besonders konservative Wähler, die den Rechtsextremismus von Ukip ablehnen, aber von der Brexit-Politik der Regierung enttäuscht sind, werden mit einem Votum für Farages Partei liebäugeln. Eine Umfrage unter konservativen Lokalabgeordneten ergab, dass 40 Prozent bei den Europawahlen für die Brexit-Partei stimmen wollen, nur 52 Prozent für ihre eigene Partei. Die gleiche Erhebung kam auch zum Schluss, dass 15 Prozent am liebsten Farage als nächsten Tory-Chef hätten, nur Boris Johnson ist mit 19 Prozent beliebter.

Europawahlen haben zwar kaum konkreten Einfluss auf die britische Innenpolitik, aber spiegeln die Stimmung bei den Wählern. Die Brexit-Partei hofft, den 23. Mai zu einer Neuauflage des EU-Referendums zu machen. Schneidet sie gut ab, wäre das eine klare Botschaft an Westminster für einen harten Brexit.

Bereits jetzt fürchten viele Tory-Abgeordnete, dass die Brexit-Politik der Regierung ihre Wähler vergrault und ihnen bei allfälligen Neuwahlen den Sieg kosten würde. In Umfragen lagen die Konservativen hinter der Labour-Partei, teilweise mit deutlichem Abstand. Nick Timothy, ehemaliger Berater von Premierministerin Theresa May, warnte in einer Kolumne, dass die Tories nur gewinnen können, wenn sie »den Brexit akzeptieren, begrüßen und umsetzen«.

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