»Stählerner Dom« mit einigen Löchern

Tote in Israel und auf Palästinenserseite im Gazastreifen / Anadolu-Büro der Türkei durch Luftangriffe zerstört

  • Roland Etzel
  • Lesedauer: 4 Min.

In den Tagen und Wochen um den Tag der israelischen Staatsgründung am 14. Mai 1948 - und damit auch der Nichtgründung eines seit damals ebenso vorgesehenen Staates Palästina bricht sich immer wieder palästinensische Wut Bahn. Freischärler, die sich größtenteils nicht von der in Gaza herrschenden Palästinenserorganisation Hamas kontrollieren lassen, feuern Geschosse über die Grenze nach Israel. So auch erneut am Freitag.

Der »Stählerne Dom«, ein mobiles Raketenabwehrsystem Israels, macht die meisten davon in der Luft unschädlich. Aber einige kommen immer wieder durch. Laut israelischer Armee vom Sonntag sollen es am Wochenende 450 gewesen sein. »Mehr als 150 davon« seien abgefangen worden; man muss wohl sagen: nur 150, denn ursprünglich hatte die Armeeführung behauptet, es kämen keine Geschosse mehr durch. Die meisten sind kaum zu steuern und schlagen auf freiem Felde ein. Hin und wieder wird aber auch ein Haus getroffen, diesmal in der Hafenstadt Ashkelon, knapp 20 Kilometer nördlich des Gazastreifens. Es gab zwei Todesopfer und mehrere Verletzte.

Militärisch sind die palästinensischen Attacken bedeutungslos. Es sind Nadelstiche, mehr nicht, aber es gibt sie eben - zwar fragwürdig, weil sie in aller Regel, wenn überhaupt, dann Zivilisten treffen. Aber, und das ist wohl ihr politischer Zweck, sie erinnern daran, dass es seit 70 Jahren ein sehr komplexes und noch immer ungelöstes Nahostproblem gibt und dass die aktuelle israelische Regierung einen sehr großen, wenn nicht den Hauptanteil an der aktuellen Verhärtung des Problems hat.

Insbesondere Gaza ist humanitär wie völkerrechtlich eine klaffende Wunde auf der politischen Landkarte. Sieht man einmal von der 150-prozentigen Pro-Israel-Lobby um US-Präsident Donald Trump und seine Brüder im Geiste ab, so bestätigen zwar nahezu alle Staaten dieser Welt, dass die Abriegelung Gazas durch Israel - im stillen Einverständnis mit Ägypten - ursächlich für den Dauernotstand Hunderttausender Palästinenser ist. Praktisch tun sie allerdings nichts dagegen. Auch die Bundesregierung stellt sich taub, die Ursachen der Palästinenserattacken zur Kenntnis zu nehmen und das Geschehen differenziert zu betrachten.

Der israelischen Armee als stärkster und technisch modernster militärischer Kraft des Nahen Ostens ist es ein leichtes, erbarmungslos zurückzuschlagen. Das tat sie auch diesmal. Laut AFP wurden dabei Kampfflugzeuge und Panzer eingesetzt. Nach Armeeangaben seien 220 »Ziele« angegriffen worden, darunter ein Tunnel der Miliz Islamischer Dschihad, welcher aus dem Gazastreifen bis nach Israel gereicht haben soll. Nach palästinensischen Angaben wurden dabei sechs Palästinenser getötet und 47 verletzt.

Aus Gaza-Stadt wird die Zerstörung zweier mehrstöckiger Gebäude gemeldet. Nach Behauptung Israels befanden sich darin militärische Stäbe der Hamas. Diese bestreitet, für die Raketenangriffe auf Israel verantwortlich zu sein, was von Israel für gewöhnlich ignoriert wird. So auch dieses Mal und während gleichzeitig israelische Emissäre in Kairo mit Hamas-Vertretern verhandelten. Auch dies wird von israelischer Seite nicht bestätigt, sehr wohl aber außer von der Hamas auch von den beteiligten Ägyptern. Die Regierung Benjamin Netanjahus möchte aber um keinen Preis den Gesprächen, die es nicht erst seit gestern gibt, einen regulären Status zubilligen, bedeutete dies doch auch, endlich zu akzeptieren, dass die Hamas eine legitime Vertreterin der Palästinenser ist.

Die momentan laufenden Gespräche zur Bildung einer neuen Regierung in Israel nach den April-Wahlen dürften mit einiger Sicherheit zu einem Kabinett führen, welches dem bisherigen an kriegerischer Großmachtpolitik und Unversöhnlichkeit gegenüber palästinensischen Rechten in nichts nachsteht, im Gegenteil.

Aus Washington wurde dafür auch diesmal Rückendeckung signalisiert. »Wir stehen auf der Seite Israels und unterstützen sein Recht auf Selbstverteidigung gegen diese abscheulichen Attacken«, erklärte die Sprecherin des US-Außenministeriums, Morgan Ortagus, am Sonnabend. Auch die EU bleibt mit ihrer Erklärung im üblichen Muster. Brüssel forderte ein sofortiges Ende der Raketenangriffe - aus dem Gazastreifen.

Geschwiegen wird von israelischer wie US-Seite, dass auch eine türkische Einrichtung in Gaza in Trümmer gelegt wurde. Es war gewiss kein Versehen, denn man wollte offenbar türkische Opfer vermeiden und warnte sie deshalb kurz vor der Bombardierung. Anwohner bestätigten AFP, dass sich in einem der zerstörten Gebäude das Büro der staatlichen türkischen Nachrichtenagentur Anadolu befand. Anadolu berichtete, das Gebäude sei von fünf Geschossen der israelischen Luftwaffe zum Einsturz gebracht worden.

Das türkische Verhältnis zu Israel wird sich damit weiter verschlechtern, aber auch das zu den USA, die den Angriff unkommentiert übergingen. Die Nachrichtenagentur veröffentlichte ein Video von Trümmern eines Gebäudes. Anadolu hatte bisher als einzige nichtarabische Nachrichtenagentur aus Gaza berichtet - für Israel offenbar ein Ärgernis, dessen man sich jetzt entledigt glaubt.

Gaza wäre gewiss ein Fall für den UN-Nahostbeauftragten Nikolai Mladenow. Doch der Bulgare gilt als weitgehend einflusslos in der Region wie auch bei den Großmächten.

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