Der Staat muss mit weniger Geld auskommen

Laut Steuerschätzung fehlen Bund, Ländern und Gemeinden bis 2023 insgesamt 124,3 Milliarden Euro

  • Simon Poelchau
  • Lesedauer: 2 Min.

Für Bundesfinanzminister Olaf Scholz sind die Zahlen, die er am Donnerstag präsentierte, »viel Geld«, aber etwas, das man »gut bewältigen« könne: 74,1 Milliarden Euro weniger als noch vergangenen Herbst geschätzt werden Bund, Länder und Gemeinden aufgrund der schlechteren Konjunktur bis 2023 an Einnahmen zur Verfügung haben. Dies prognostiziert der Arbeitskreis Steuerschätzung, der von Dienstag bis Donnerstag in Kiel tagte.

Rechnet man die Effekte von Maßnahmen wie dem Starke-Familien-Gesetz und dem Abbau der sogenannten kalten Progression hinzu, beläuft sich das Minus auf insgesamt 124,3 Milliarden Euro. Allein für den Bund sind es in diesem Jahr knapp zehn Milliarden. Dennoch sieht Scholz vorerst keinen Grund zum Handeln. »Bund und Länder können auch in den nächsten Jahren mit ordentlichen Steuereinnahmen rechnen«, sagte der SPD-Mann. Er geht davon aus, dass es in der Wirtschaft im kommenden Jahr wieder besser laufen wird.

Angesichts der sich eintrübenden Konjunktur wird die Verteilungsfrage schon länger wieder heftiger diskutiert. Vor allem in der Union und der Unternehmerlobby wird der Ruf nach Steuersenkungen und Kürzungen im sozialen Bereich immer lauter. »Gerade bei schwieriger Haushaltslage müssen wir die Prioritäten richtig setzen: Mehr Leistung durch weniger Umverteilung ist das Gebot der Stunde«, verlangte der Unionshaushälter Axel Fischer (CDU).

Gewerkschaften und Sozialverbände fordern von Scholz, nicht klein beizugeben. »Ich kann nur davor warnen, jetzt den Rotstift zu zücken und die Staatsausgaben zusammenzustreichen«, sagte DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell am Donnerstag der »Saarbrücker Zeitung«. Mit einer neuen Sparpolitik würde die Lage nur verschlimmert. Wenn Scholz die öffentlichen Kassen schonen wolle, müsse er »Steuergeschenken für Reiche und Unternehmen eine Absage erteilen«.

»Wenn die Bundesregierung auch künftig noch Politik gestalten und nicht nur den Mangel verwalten will, braucht es schlicht mehr Steuereinnahmen«, erklärte der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands, Ulrich Schneider. Ohne gezielte und deutliche Investitionen werde der Sozialstaat in Zukunft nicht mehr funktionieren. Ohne den Mut zur Umverteilung blieben alle Pläne für eine anspruchsvolle Sozial-, Bildungs- und Pflegepolitik Makulatur.

Ähnlich sieht man es auch bei der LINKEN. »Löhne, Renten und öffentliche Investitionen müssen rauf, nicht die Unternehmenssteuern runter«, sagte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der LINKEN im Bundestag, Fabio De Masi. Scholz müsse den öffentlichen Investitionsstau auflösen und die Binnenwirtschaft stärken, um unabhängiger von der Weltwirtschaft zu werden.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.