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Der Iran mischt mit

Im Gazastreifen verschieben sich die Machtverhältnisse.

  • Oliver Eberhardt
  • Lesedauer: 5 Min.

Es ist Mittwoch, der 1. Mai, die Sonne scheint, und das Leben im Gazastreifen geht seinen Gang. Jenseits des Grenzzauns, der ihn von Israel trennt, fährt ein Traktor entlang. Am Himmel steigt ein Flieger Richtung Negev-Wüste auf. Es ist eines der Flugzeuge, die Woche für Woche Hunderte junge Israelis nach dem Militärdienst zur Auszeit Richtung Fernost befördern, sie fliegen das Rote Meer entlang, über den Bab al-Mandab, jene Meerenge, die Jemen von Dschibuti trennt.

In Momenten wie diesem, wenn man in den Himmel blickt, wird glasklar, warum der Atomkonflikt mit Iran, der Gazastreifen, der Jemen-Krieg alle zusammenhängen: In Israel sind die anti-israelische Rhetorik, die orchestrierten Massendemonstrationen aus Teheran sehr real, und das nicht nur wegen der Atombombe: In Libanon, in Gaza und weit weg am Bab al Mandab, den Schiffe und Flugzeuge auf dem Weg Richtung Osten passieren müssen, kann Teheran Israel das Leben zur Hölle machen.

Wie groß war, wie groß ist der iranische Einfluss auf diese Konflikte wirklich? Nur wenige Tage später wird diese Frage wieder diskutiert. 800 Raketen gehen auf Israel nieder, dessen Luftwaffe dann Ziele im Gazastreifen bombardiert. Menschen sterben. Die Konfrontation ist kurz, nervenaufreibend und endet dann wie so oft mit einer von Ägypten ausgehandelten Waffenruhe.

Doch eines ist dieses Mal anders: Es ist nicht die Hamas, sondern die kleine Gruppe Islamischer Dschihad, welche die meisten Raketen abfeuert und damit auch Iran auf die Tagesordnung bringt. Anfang der 80er Jahre war die Gruppe aus der Ideologie von Ajatollah Ruhollah Khomeini hervorgegangen; erst Ende Dezember traf sich deren Führung in Teheran mit Ajatollah Ali Khamenei. Und wenig später besitzt diese Gruppe eine große Zahl an Raketen. Stecken die iranischen Revolutionsgarden hinter dem Angriff? Oder verliert die Hamas die Kontrolle über Gaza, über ihr eigenes Arsenal?

Am Sonntagnachmittag führte Israels Militär erstmals seit Jahren wieder eine »gezielte Tötung« aus. Mitten auf einer belebten Straße traf eine Rakete einen Mann namens Hamed Ahmed Khudari. Die Begründung: Er sei der Geldbote zwischen den Revolutionsgarden und dem Islamischen Dschihad gewesen. Doch Geldflüsse erklären noch nicht, wie der Islamische Dschihad trotz der durch Israel und Ägypten so scharf kontrollierten Blockade unter den Augen der Hamas an so viele Waffen kommen konnte. Sicher ist aber: Der Islamische Dschihad, der jegliche Kontakte mit Israel strikt ablehnt, hat nun an Einfluss gewonnen.

Dadurch sind die unter ägyptischer Vermittlung laufenden Verhandlungen Israels mit der Hamas um einiges schwieriger geworden. Vor allem Ministerpräsident Benjamin Netanjahu setzt auf einen langfristigen Waffenstillstand mit der Hamas; von dem Gedanken, dass die Regierung von Präsident Mahmud Abbas jemals wieder die Kontrolle über Gaza übernehmen wird, hat er sich verabschiedet. Doch in Gaza wendet sich die Öffentlichkeit immer weiter gegen die Hamas.

An diesem Mittwoch, dem 1. Mai, deutet noch nichts darauf hin, dass einige Tage später die Gewalt zurückkehren wird. Ein paar Kinder spielen auf kargem Boden Fußball. Der Vater beäugt die Fremden misstrauisch: »Man muss aufpassen, wem man was erzählt«, sagt er, seinen Namen will er nicht nennen. Man hört das sehr oft hier, seit im März zum ersten Mal überhaupt Tausende gegen die Hamas auf die Straße gingen und deren Brigadisten die Menschen niedergeprügelten.

»Dieses Gefühl, dass man nicht entkommen kann, dass es keinen Ort gibt, um Luft zu holen, dass man ständig unter Beobachtung steht, sitzt sehr tief«, sagt Khaled, 32, seit vielen Jahren arbeitslos, wie mittlerweile nach Angaben der Weltbank 60 Prozent der Bevölkerung. Beim ersten Treffen Israels mit der Hamas vor elf Jahren war er voller glühender Träume und Hoffnungen, voll der Überzeugung, dass Israel schuld an allem sei und die Hamas die Dinge schon richten werde. Heute ist er ein gebrochener Mann. Das Vertrauen in die Hamas und die Hoffnung auf die internationale Gemeinschaft habe er verloren. »Es hat doch niemand irgendeinen Plan, wie es mit uns weitergehen soll«, sagt er. Die Regale der Geschäfte sind für Gaza-Verhältnisse gut gefüllt, doch Mangel ist ohnehin nicht das Hauptproblem. Sondern die kräftig gestiegenen Preise.

Ein Hauptgrund dafür sind die Steuern. Jahrelang hatte die Abbas-Regierung Zahlungen an die Hamas-Regierung in Gaza geleistet. Nachdem diese aber die Macht dort nicht abgeben wollte, wurden diese Zahlungen im Januar eingestellt. Stattdessen erhebt die Abbas-Regierung Steuern und Zölle auf Waren, auf die dann die Hamas weitere Steuern aufschlägt. Sinn ergibt das keinen, da kaum jemand die Waren kauft, sagen Händler.

Eine Million Menschen seien im Gazastreifen derzeit von humanitärer Hilfe abhängig, sagt Jamie McGoldrick, UN-Koordinator für humanitäre Hilfen in den palästinensischen Gebieten. Das ist mehr als die Hälfte der knapp 1,9 Millionen Menschen, die dort leben. »Die Kaufkraft ist schlicht nicht vorhanden, um ohne Hilfe über die Runden zu kommen,« sagt McGoldrick. Weil die US-Regierung, bislang größter Geldgeber für das UN-Hilfswerk für palästinensische Flüchtlinge, die Zahlungen eingestellt hat, fehlt nun auch das Geld für humanitäre Hilfe in Gaza. Alleine bis Ende Juni werden 40 Millionen Dollar benötigt, sagt McGoldrick.

Etwas mehr als eine Woche ist nun vergangen. Durch die Gewalt beider Seiten sind Menschen gestorben und haben gelitten. Bei Facebook und Twitter hat man sich gegenseitig zugebrüllt, dass Israel, nein, dass die Palästinenser schuld seien. Doch egal ob man die Raketen auf Israel oder die Not im Gazastreifen in den Mittelpunkt der Debatte stellt: Eine Rückkehr zum gewohnten Gang ist keine Option, für niemanden.

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