Unternehmen müssen Arbeitszeiten systematisch erfassen

Richter: Ohne genaue Zeiterfassung können Überstunden nicht objektiv und verlässlich ermittelt werden

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Luxemburg. Unternehmen sollen nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs verpflichtet werden, die gesamte Arbeitszeit ihrer Beschäftigten systematisch zu erfassen. Alle EU-Staaten müssten dies durchsetzen, entschieden die obersten EU-Richter am Dienstag in Luxemburg. Nur so lasse sich überprüfen, ob zulässige Arbeitszeiten überschritten würden. Und nur das garantiere die im EU-Recht zugesicherten Rechte der Beschäftigten. (Rechtssache C-55/18)

Das Urteil könnte große Auswirkungen auf den Arbeitsalltag auch in Deutschland haben. Denn längst nicht in allen Branchen werden Arbeitszeiten systematisch erfasst. Auch Heimarbeit oder Außendienst müsste demnach künftig registriert werden, etwa über Apps oder elektronische Erfassung am Laptop. Wird abends von zuhause noch dienstlich telefoniert oder werden E-Mails geschrieben, könnte auch dies unter die Pflicht zur Erfassung fallen.

Im deutschen Arbeitszeitgesetz ist nach Gewerkschaftsangaben bisher nur vorgeschrieben, dass Überstunden nach den üblichen acht Stunden Regelarbeitszeit registriert werden. Gewerkschafter monieren schon lange, dass dies eigentlich nur möglich sei, wenn auch die reguläre Arbeitszeit aufgezeichnet wird.

In dem Fall vor dem EuGH hatte eine Gewerkschaft in Spanien geklagt, wo die Rechtslage ähnlich ist wie in Deutschland: Es besteht lediglich eine Pflicht zur Aufzeichnung der Überstunden. Die Gewerkschaft argumentierte, nur bei Erfassung aller Stunden lasse sich diese Vorgabe erfüllen. Sie wollte den dortigen Ableger der Deutschen Bank zur Einrichtung eines Registriersystems für die Arbeitszeiten ihrer Mitarbeiter verpflichten. Die Deutsche Bank berief sich auf das spanische Recht und hielt dagegen.

Der EuGH entschied zugunsten der Gewerkschaft und formulierte eine Vorgabe an alle EU-Mitgliedsstaaten, Unternehmen zu Systemen der Arbeitszeiterfassung zu verpflichten. Andernfalls werde gegen die EU-Grundrechtecharta, die EU-Arbeitszeitrichtlinie und die EU-Richtlinie über die Sicherheit und die Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit verstoßen. Über die Details der Umsetzung können die Staaten selbst entscheiden.

Die Richter unterstrichen die Bedeutung des Grundrechts jedes Beschäftigten auf Begrenzung der Höchstarbeitszeit sowie auf tägliche und wöchentliche Ruhezeiten. Die EU-Staaten müssten dafür sorgen, dass die Beschäftigten diese Rechte auch wirklich wahrnehmen könnten. Dabei sei zu berücksichtigen, dass Angestellte die schwächere Partei im Arbeitsvertrag seien.

Ohne ein System zur Messung der täglichen Arbeitszeit könnten weder die geleisteten Stunden und ihre zeitliche Verteilung noch die Zahl der Überstunden objektiv und verlässlich ermittelt werden, erklärte der Gerichtshof. Damit sei es für Beschäftigte äußerst schwierig oder gar praktisch unmöglich, ihre Rechte durchzusetzen. dpa/nd

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