Rechter Hass grassiert

Horst Seehofer stellte Statistik politisch motivierter Kriminalität des vergangenen Jahres vor

  • Uwe Kalbe
  • Lesedauer: 4 Min.

»Wir haben im letzten Jahr 55 islamistische Gefährder abgeschoben. Trotzdem bleiben die Zahlen gleich«, wundert sich Horst Seehofer. Der Bundesinnenminister sitzt am Dienstag vor der Bundespressekonferenz in Berlin und stellt mit dem Präsidenten des Bundeskriminalamtes, Holger Münch, die aktuellen Zahlen zur politisch motivierten Kriminalität vor. Im Unterschied zur Polizeilichen Kriminalstatistik geht es hier nicht um die polizeilich abgeschlossenen und der Justiz übergebenen Fälle, sondern um alle der Polizei bekannt gewordenen.

Horst Seehofer hört nach seiner Bemerkung über die islamistischen Gefährder verschmitzt zu, wie Holger Münch sich aus der Affäre zieht. Es gebe eine leicht sinkende Zahl von Gefährdern, aber manche Gefährder würden als Gefährder weiter geführt, auch wenn sie schon nicht mehr im Land seien. So ist das also, staunt der Minister, der wohl schon argwöhnte, man könne an seiner Entschlossenheit bei der Ausweisung von Islamisten zweifeln. Nein, nein, beruhigt BKA-Chef Münch. Knapp 740 islamistische Gefährder gebe es in Deutschland, da gebe es keinen weiteren Anstieg, die Spitze sei erreicht, wie ein leichtes Sinken der Zahlen dem Fachmann verrät.

Das eigentliche Problem ist aber ohnehin nicht der islamistische, sondern der rechtsextremistische Täter, wie aus der Polizeistatistik hervorgeht. Auch wenn die Zahl der in Brand gesteckten Flüchtlingsheime gesunken ist, blieb die Zahl rechtsextremistisch motivierter Taten 2018 auf dem gleichen Niveau wie im Vorjahr. Die linksextrem motivierten Straftaten nahmen dagegen ab, was den Straftatexperten vor der Bundespressekonferenz zufolge damit zu tun hat, dass es im letzten Jahr keinen G-20-Gipfel gab wie 2017, als die Statistik einen Satz nach oben machte. Gewalttaten Rechtsextremer sind hingegen um gut zwei Prozent auf 1156 Fälle gestiegen. Im Jahr zuvor waren noch 1130 Gewalttaten von rechts gezählt worden. Es gebe daher auch keinen Grund zur Entwarnung, warnt da der Minister. Besonders über den Anstieg antisemitischer Straftaten zeigen sich Seehofer und Münch besorgt. Hier gibt es einen deutlichen Anstieg um fast 20 Prozent auf 1799 (2017: 1504), davon fast 70 Gewalttaten. Das ist der höchste Stand seit 2006. Fast 90 Prozent werden einem rechtsextrem motivierten Täterkreis zugeordnet - was Seehofer die Gelegenheit bietet, dem alten Vorwurf zu widersprechen, dass der Staat tendenziell auf dem rechten Auge blind sei. Nachdem Holger Münch erläutert hat, dass man bei der Zuordnung auch unbekannter Täter Erfahrungen über Handlungsschemata und Vorgehen gefolgt sei, wirft Seehofer ein, dass man ja schlecht mit der Information an die Öffentlichkeit treten konnte: 90 Prozent der antisemitisch motivierten Taten seien von »Unbekannt« verübt worden. Münch wie Seehofer zeigen sich von der Richtigkeit der Statistik überzeugt. Sie sei in der Vergangenheit bei der Feststellung von Tätern immer wieder bestätigt worden. Kritiker der Registrierweise machen gern geltend, dass antisemitische Straftaten doch genauso gut von Muslimen begangen worden sein könnten.

Zugenommen haben 2018 der Statistik zufolge Taten im Bereich der sogenannten Hasskriminalität. So werden Taten gewertet, die gegen eine bestimmte Gruppe etwa wegen der Herkunft, Religion oder sexuellen Orientierung begangen werden. 2018 gab es in dem Bereich mehr als 8000 Taten, ein Anstieg um rund 200 Fälle. Maßgeblich verbergen sich den Angaben zufolge dahinter fremdenfeindliche Straftaten (rund 7700).

Weshalb auch hier von einem Überhang der rechtsextrem motivierten Täter auszugehen ist. Spürbar flaut Seehofers Entschlossenheit im Kampf gegen Rechts jedoch ab, wenn die Sprache auf rechtsextremistisch motivierte Teile der Polizei kommt.

In frischer Erinnerung sind die Drohbriefe hessischer Polizisten gegen eine Rechtsanwältin, die eine Opferfamilie im Prozess gegen die rechte Terrorgruppe NSU vertreten hatte. Sechs Entlassungen wurden bislang ausgesprochen, die Ermittlungen laufen noch. Dennoch will Minister Seehofer von nichts als »absoluten Ausnahmefällen« sprechen, wenn es um die Fälle rechtsextremer Gesinnung in der Polizei geht. Im Bereich des BKA gebe es nicht einen einzigen, wiederholt er die Auskunft Präsident Münchs. Und in der Bundespolizei mit beinahe 50 000 Mitarbeitern seien es auch nur Ausnahmen - wie es sie zudem in jedem Berufsbereich gebe. In der Polizei hätten diese jedoch nichts zu suchen.

Da wurde Holger Münch etwas deutlicher als Seehofer. In der Ausbildung und der berufsbegleitenden Betreuung der Beamten müsse Einfluss genommen werden, wie auch in der Führung der Polizei. Reichsbürger oder andere Rechtsextreme würden nicht geduldet. Mit Agenturen

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