Zu 35 Jahren Einheit gibt’s weniger Rente

Linkspartei warnt: Bis 2025 wird die Hochstufung der Löhne bei ostdeutschen Rentnern abgeschafft

  • Alina Leimbach
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Wiedervereinigung Deutschlands nähert sich ihrem 30. Jubiläum. Doch ausgerechnet Heimatminister Horst Seehofer (CSU) vergaß die große Einheitsfeier im kommenden Jahr in seinem Etat. Und auch bei den Lebensverhältnissen ist der Osten noch klängst nicht beim Westen angekommen. Beispiel Rente. Auf dem Papier sieht es zwar nicht so schlimm aus: Männer im Westen erhielten 2017 im Durchschnitt 1050 Euro Rente brutto, Männer im Osten sogar mit 1118 Euro etwas mehr. Und auch die Frauen bekommen in den neuen Ländern etwas mehr Rente als die im Westen. Im Gegensatz zu ihren Nachbar*innen haben viele Ostdeutsche allerdings nur ihre gesetzliche Rente zum Leben. Betriebsrenten oder private Altersvorsorge waren wenig verbreitet oder wurden nicht oder unvollständig ins neue Rentensystem überführt. Eigentum wie ein Haus war in der DDR kaum üblich. Mietfrei wohnen fällt im Alter also eher flach. Ostdeutsche besitzen im Schnitt zudem nur 40 Prozent des Vermögens, über das Westdeutsche verfügen.

Doch die gesetzliche Rente wird in den nächsten Jahren weiter sinken. Denn die Rentenberechnung für Menschen, die im Osten ihre Rentenansprüche erwarben, wird bis 2025 umgestellt. Die LINKE im Bundestag hat kalkuliert, was das heißt: Ohne die Umrechnung der Löhne würde eine Fachkraft, die 45 Jahre lang einen mittlerem Ostlohn erhalten hat, eine Rente von 1480 Euro Brutto bekommen - brutto. Das seien 111 Euro weniger als nach alter Berechnung.

Grund für diese Nach-unten-Justierung ist das »Rentenüberleitungs-Abschlussgesetz«, das noch von der vergangenen Groko 2017 beschlossen wurde. Das Gesetz sieht zwar einerseits vor, dass ab 2024 die Renten von Ostdeutschen und Westdeutschen 35 Jahre nach Mauerfall gleich berechnet werden. Derzeit liegt der Faktor, mit dem die Ansprüche von Westdeutschen berechnet werden, höher als der von Bürger*innen im Osten. Andererseits galt bislang, dass die Ostlöhne auf durchschnittliches Westniveau umgerechnet wurden. Genau das fällt bis 2025 schrittweise weg und macht unterm Strich das Minus aus.

»Es ist völlig inakzeptabel, dass die so wichtige Umrechnung, die die ungleichen Löhne und Gehälter in Ost und West bei der Rentenberechnung ausgleicht, sukzessive in den kommenden sieben Jahren abgeschafft wird«, sagt der rentenpolitische Sprecher der Linken, Matthias W. Birkwald gegenüber »neues deutschland«.

Die Fraktion fordert daher in einem Antrag, Ostrenten umgehend an das Westniveau anzupassen. Sie wollen die Abschaffung der Hochstufung wieder zurücknehmen, »bis die Löhne im Osten durchschnittlich das durchschnittliche Westniveau erreicht haben.« Die Angleichung des aktuellen Rentenwerts soll steuerfinanziert werden.

Kritiker*innen der Höherstufung der Ostrenten führen gern niedrigere Lebenshaltungskosten im Osten ins Feld. LINKE-Politiker Birkwald hält dem jedoch entgegen: »2010 hatte eine detaillierte Studie des Ifo-Instituts Dresden auch festgestellt, dass der Vorteil der niedrigeren Lebenshaltungskosten im Osten durch die Lohnnachteile komplett aufgefressen wird. Ich bin sicher, dass sich daran bis heute nicht viel geändert hat.« Mit ihrer Kritik an dem Aussetzen der Hochwertung der Ostrenten steht die LINKE nicht allein. Nach der Einigung 2017 zur vermeintlichen »Rentenangleichung« hatte sich Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) zwar grundsätzlich erfreut gezeigt, dass der Ostrentenwert auf Westniveau angehoben werde. Doch auch er kritisierte die Abschmelzung des Höherwertungsfaktors für Berufstätige im Osten als »zu abrupt«.

Katrin Göring-Eckhardt, Fraktionschefin der Grünen, sagte dem »nd«: »Dass 30 Jahre nach der friedlichen Revolution bei Löhnen und Renten immer noch ein Unterschied zwischen Ost und West herrscht, ist nicht akzeptabel. Zur Vollendung der Einheit ist es überfällig, dass beides angeglichen wird - Renten wie Löhne.« Das Rentenrecht allein helfe aber wenig. »Ein zentrales Problem bei den Löhnen im Osten ist die geringe Tarifbindung.« 2017 hatte ihre Partei sich allerdings dafür ausgesprochen, die Höherwertung der Ostrenten bis spätestens 2020 einzustellen - unter der Voraussetzung, dass die in der Vergangenheit erworbenen Rentenansprüche unverändert blieben. Grund: Für Menschen mit mittlerem oder höherem Einkommen ließen sich kaum noch Unterschiede in der Bezahlung ausmachen. Der Sprecher der SPD-Landesgruppe Ost im Bundestag, Frank Junge, ließ eine »nd«-Anfrage am Freitag unbeantwortet. Ein Mitarbeiterin verwies auf »den engen Zeitplan« der Sitzungswoche.

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