Die verständnislose Gesellschaft
Vor 100 Jahren wurde der Aufklärungsfilm »Anders als die Andern« uraufgeführt und als Skandal empfunden
Seit 1872 trifft Schwule der Paragraf 175, wonach »sexuelle Handlungen zwischen Personen männlichen Geschlechts« unter Strafe stehen. In der Idealvorstellung macht sich nach Genuss des Aufklärungsfilms »Anders als die Andern« des Regisseurs Richard Oswald Harmonie breit und der ominöse Paragraf wird abgeschafft.
Oswald bemüht sich, mit seinen »sozialhygienischen Filmwerken« dem gerade dem kaiserlichen Joch entkommenen Volk Themen wie Prostitution und Homosexualität zur wohlwollenden Prüfung ans Herz zu legen. Die Filmzensur ist nach Ende des Ersten Weltkriegs auch aufgehoben worden, doch die Zeit ist noch nicht reif für den kritischen Film. Erlesene Pressegäste können ihn zunächst am 25. Mai 1919 im Berliner Apollo-Theater in einer Sonderaufführung zu sehen, dann läuft er am 30. Mai im Prinzeß-Theater an und macht zunächst ungehindert die Runde durch die Kinos.
Doch es vergehen keine sechs Wochen, dann entlädt sich der Hass u...
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