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Blaue und grüne Wunder erleben
Umfrage verheißt für Brandenburger Landtagswahl im September lauter Spitzenergebnisse und Tiefpunkte
In den vergangenen Monaten lag die brandenburgische AfD in den Umfragen der Meinungsforschungsinstitute schon mehrmals gleichauf mit der SPD oder der CDU an der Spitze. Nun, weniger als drei Monate vor der Landtagswahl am 1. September, hat sie erstmals die alleinige Führung übernommen.
Das ergab eine am Dienstagabend veröffentlichte Umfrage von Infratest dimap im Auftrag der rbb-Fernsehsendung »Brandenburg aktuell« und der rbb-Radiowelle »Antenne Brandenburg«. Zwischen dem 3. und 6. Juni sind 1000 Wahlberechtigte befragt worden. Herausgekommen ist Folgendes: Wenn bereits jetzt Landtagswahl wäre, so würden 21 Prozent die AfD ankreuzen.
Als wichtigste politische Probleme, die nach Ansicht der Brandenburger vordringlich gelöst werden müssen, liegen Infrastruktur und Verkehr ganz vorn. 25 Prozent der Befragten mahnen unter anderem bessere Straßen, Krankenhäuser oder einen schnelleren Internetzugang an. Im Vergleich zu Februar 2015 sind das 20 Prozentpunkte mehr.
An zweiter Stelle rangiert in den Augen der Brandenburger die Bildungspolitik mit 22 Prozent.
Das Thema Umweltschutz und Klimawandel rückt mit 19 Prozent, was ein Plus von sieben Prozent bedeutet, auf Rang drei vor.
52 Prozent der Befragten sehen die größte Kompetenz in Sachen Umwelt bei den Grünen.
20 Prozent der Befragten sagen, mit Bildung kenne sich die SPD am besten aus (CDU und LINKE je 18 Prozent).
Die Bekämpfung der Kriminalität trauen 26 Prozent am ehesten der CDU zu. 18 Prozent sehen die AfD in dieser Frage vorn. Der SPD, die mit Karl-Heinz Schröter (SPD) den Innenminister stellt, trauen nur 14 Prozent der Befragten zu, dass sie die Kriminalität am besten zu bekämpfen weiß. af
Dahinter kämen die SPD mit 19 Prozent sowie die CDU und die Grünen mit jeweils 17 Prozent. Die LINKE liegt in dieser Umfrage abgeschlagen bei 14 Prozent. Hoffnungen auf den Einzug ins Parlament dürfte sich mit ermittelten fünf Prozent die FDP machen. Die Freien Wähler müssen mit vier Prozent bangen, ob sie die Fünf-Prozent-Hürde vielleicht doch noch überspringen können. Würden sich diese Trends allesamt im September bestätigen, so hätte die AfD ein Rekordergebnis eingefahren, mit dem bereits länger zu rechnen war. Sogar 23 Prozent sind ihr früher schon prognostiziert worden. Die Grünen wären dagegen innerhalb weniger Monate in für sie schwindelerregende Höhen vorgestoßen.
Ihr Spitzenkandidat Benjamin Raschke freute sich, dass die Ökopartei noch einmal so deutlich zulegen konnte. »Unsere Themen sind inzwischen in jedem Haushalt angekommen«, sagte er. »Die Menschen wissen, dass wir Bündnisgrüne uns ernsthaft um den Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen kümmern und künftigen Generationen einen intakten Planeten hinterlassen wollen.« Neben Freude verspürt Raschke aber auch eine große Verantwortung, »den hohen Erwartungen dann auch gerecht zu werden«.
Für die CDU, deren Landesvorsitzender Ingo Senftleben von einem Wahlsieg träumt, wären 17 Prozent das bislang schlechteste Ergebnis. Der bisherige Tiefpunkt waren 18,4 Prozent bei der Landtagswahl 1994. Doch von den 29 Prozent der Landtagswahl 1990 war der Landesverband danach meist weit entfernt, erzielte in der Regel nur 19 bis 20 Prozent, zuletzt 2014 immerhin 23 Prozent.
Unschön, aber zu erwarten waren die Umfrageergebnisse für CDU-Generalsekretär Steeven Bretz. Die Stimmung auf Bundesebene schlage eins zu eins auf Brandenburg durch, urteilte er. »Die Personaldebatten und inhaltlichen Fehler der vergangenen Wochen lassen die Werte in der Mitte schrumpfen und an den Rändern steigen. Wenn in Berlin nicht umgehend das Ruder auf ordentliche Arbeit gedreht wird, wird es für die CDU in Brandenburg, Sachsen und Thüringen ein schwerer Wahlkampf werden.« Bretz meint, aus der Entwicklung lasse sich etwas lernen: »Wer als Partei der Mitte nach den Rändern schielt, wird nicht gewählt.«
Besonders groß ist die Fallhöhe für die SPD von Ministerpräsident Dietmar Woidke. Die erfolgsverwöhnte märkische Sozialdemokratie hat seit 1990 immer den Ministerpräsidenten gestellt und bei jeder Landtagswahl deutlich über 30 Prozent der Stimmen geholt, einmal - im Jahr 1994 - sogar mit 54 Prozent die absolute Mehrheit gehabt. 2014 waren es immerhin noch 31,9 Prozent. Nach zehn Jahren rot-roter Koalition beinahe auf einem historischen Tiefpunkt angelangt ist auch die LINKE. Mit 14 Prozent ist nur noch wenig Luft nach unten zu den 13,4 Prozent bei der Landtagswahl am 14. Oktober 1990, als die PDS den Zusammenbruch der DDR verkraften musste, in der die SED von Anfang an bis fast zum Schluss 40 Jahre lang regiert hatte.
Bei der Landtagswahl 2014 hatte die Situation noch anders ausgesehen. Zwar war die LINKE damals von 27,2 auf 18,6 Prozent abgestürzt. Doch mit den 31,9 Prozent von der SPD reichte es für eine Fortsetzung der rot-roten Koalition. Die Grünen spielten mit 6,2 Prozent noch keine große Rolle. Sie mussten zufrieden sein, wieder ins Parlament einzuziehen, wenngleich sie sich etwas mehr erhofft hatten. Die AfD schaffte damals aus dem Stand 12,2 Prozent.
Obwohl die rot-rote Koalition laut Infratest dimap nun nur noch auf 33 Prozent der Stimmen kommt - also den Wert, den die SPD früher spielend allein erreichte - sind noch 48 Prozent der Wähler im Bundesland mit der Arbeit der rot-roten Regierung zufrieden. 49 Prozent sind unzufrieden.
Wenn der Ministerpräsident direkt gewählt werden könnte, würde Dietmar Woidke (SPD) mit 48 Prozent vorn liegen. Ingo Senftleben (CDU) könnte mit lediglich elf Prozent rechnen. Selbst bei den CDU-Anhängern hat der Sozialdemokrat Woidke mit 42 Prozent mehr Rückhalt als der CDU-Mann Senftleben, der sich bei den eigenen Leuten mit 37 Prozent begnügen muss. Den AfD-Spitzenkandidaten Andreas Kalbitz sehen nur acht Prozent in der Rolle des Ministerpräsidenten.
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