Für die LINKE geht es ums Ganze

Parteitag beschließt in Schönefeld Programm für die Landtagswahl am 1. September

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Bushaltestelle vor dem Schönefelder Airporthotel »Holiday Inn« ist mit Plakaten zugepflastert: »Friede den Hütten, Kommunalisierung den Palästen«, »Reichtum für alle«. Es ist keine echte Haltestelle. Hier holt kein Bus die Fahrgäste ab. Hier möchte die LINKE ihre Wähler abholen.

Beim Parteitag in dem Hotel beschließt Brandenburgs LINKE am Sonnabend ihr Programm für die Landtagswahl am 1. September. Es verheißt komplett elternbeitragsfreie Kitas und Schulhorte und den Braunkohleausstieg spätestens 2030. Seit zehn Jahren regiert Rot-Rot. Doch für diese Koalition ist der Bus abgefahren. Die SPD ist abgestürzt, und die LINKE bewegt sich in den Umfragen zwischen katastrophalen 14 Prozent und ganz anständigen 19,5 Prozent. Angesichts der Ergebnisse bei der Kommunal- und Europawahl am 26. Mai scheinen die 14 Prozent näher dran zu sein an der Wahrheit.

Große Hoffnungen dürfen sich Grüne und AfD machen. Diese werden als »entgegengesetzte Pole einer politischen Dialektik sichtbar, die früher ihre Dynamik zwischen Schwarz und Rot oder Gelb und Rot hatte«, analysiert die LINKE-Landesvorsitzende Anja Mayer. In der neuen Situation sei ihre Partei nicht mehr sichtbar gewesen, beklagt sie.

Die Lage ist ernst. Bis zur Landtagswahl sind es jetzt bloß noch 75 Tage. Bei der Europawahl am 26. Mai hat die LINKE in Brandenburg 37 000 Stimmen verloren. Bei der Landtagswahl geht es ums Ganze. Das ist passenderweise das Motto, unter dem der Parteitag steht.

Anja Mayer versucht es mit einer Mischung aus Zweckoptimismus und Ansporn. Sie behauptet, wenn die LINKE mutiger werde und klarer für ihre Positionen eintrete, wenn alle Genossen »unverzagt« in eine Richtung marschieren, dann habe die Partei eine Chance. »Auf geht's«, ruft sie, klingt aber selbst verzagt. Der Applaus fällt bescheiden aus. Anschließend flimmert auf einer Videoleinwand ein Spot mit aufrüttelnder Musik. Es gebe nur eine Kraft, die gegen Nazis einstehe, nur eine Kraft, der die Armut nicht egal sei, heißt es in diesem Spot, der mit seinen klaren Botschaften mehr Beifall erntet.

Sofort danach müssen die Spitzenkandidaten Kathrin Danneberg und Sebastian Walter auf die Bühne. »Mein Mund ist trocken und ich muss eigentlich auf Toilette«, beginnt Dannenberg verdutzt. Auch die Regie ist überrascht. Ein junger Mann von der Technik spurtet nach vorn, um eine Kamera so zu verrücken, dass Dannenberg in der Liveübertragung im Internet zu sehen ist. »Es konnte nicht alles umgesetzt werden, was wir uns gewünscht haben«, resümiert Dannenberg die vergangenen Jahre. Aber das Leben sei ein bisschen besser geworden unter der rot-roten Koalition. »Ich bin 30 Jahre verheiratet und weiß, dass man Kompromisse machen muss«, schmunzelt Dannenberg. Dieser Spaß kommt an - auch bei ihrem Mann Mario. Er ist Delegierter und schmunzelt ebenfalls.

Dem Spitzenkandidaten Walter geht es nicht nur ein bisschen, sondern viel besser als vor zehn Jahren, aber mit der Arbeit der rot-roten Regierung hat dies wenig zu tun. Er war Schüler und Student. Mittlerweise wurde er Gewerkschaftssekretär und verdiente ordentlich. Schlecht ging es ihm nie. Seine Eltern hatten nach der Wende Arbeit. Trotzdem erlebte Walter als Kind hautnah, was Armut bedeutet. Eine Mitschülerin in der fünften Klasse hatte nie die Ostsee gesehen und konnte sich den Tuschkasten für den Zeichenunterricht nicht leisten. Das hat ihn geprägt. Später lernte er eine Kellnerin kennen, eine Mutter von zwei Kindern, die zwei Monate von ihrem Chef kein Gehalt erhielt. Sie hatte nicht einmal mehr die zwei Euro für einen Beutel Lebensmittel von der Tafel. Das hat Walter in seiner Haltung bestärkt. »Ich stehe hier, weil ich weiß, dass der Kapitalismus nicht das Ende der Geschichte sein kann und sein darf«, betont Walter. Stück für Stück solle es weg gehen vom Kapitalismus. »In diesem reichen Land soll jeder gut leben können«, fordert Walter.

Die LINKE will, dass bereits ab 2020 in Brandenburg nur noch solche Firmen öffentliche Aufträge erhalten, die ihren Beschäftigten wenigsten 12,63 Euro die Stunde bezahlen. Das kostet natürlich etwas. Das Land und die Kommunen müssten entsprechend mehr Geld für die Erledigung der Aufträge hinblättern. Aber wer frage nach den Rentnern, wie sie mit 700 Euro im Monat alles bezahlen, argumentiert Kathrin Dannenberg.

Fragt sich noch, mit wem die LINKE ihre Ziele realisieren könnte. Selbst über Varianten, bei denen CDU und LINKE zusammengehen, ist schon spekuliert worden. Unverständlich ist für Sebastian Walter allerdings die Ansage des CDU-Spitzenkandidaten, er wolle mit Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) keine Koalitionsverhandlungen führen, aber mit der AfD zumindest reden. »Wer der AfD auch nur den kleinen Finger reicht, kann für uns kein Partner sein nach dem 1. September«, stellt Walter klar. Seite 9

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