Dem Sterben der Insekten auf der Spur
Im Nationalpark Unteres Odertal werden die kleinen Tiere für Forschungsprojekte gefangen, bestimmt und gezählt
Vier Zelte stehen im Abstand von gut 50 Metern mitten im Nationalpark Unteres Odertal. Die Konstruktionen bestehen oben aus mehreren Lagen weißer Gaze. Unten reicht schwarze Gaze bis zum Boden. An der Zeltspitze befindet sich ein Fangbehälter mit einer Äthanollösung. Darin schwimmen bereits Dutzende Insekten - Fliegen, Wespen, kleinere Falter. Es handelt sich um Insektenfallen.
»Zwei stehen auf Trockenrasenflächen unseres Schutzgebietes, eines auf der Grenze zu einem Feld und das vierte direkt auf dem angrenzenden Feld«, erläutert Nationalparkleiter Dirk Treichel. Das untere Odertal ist ebenso wie das Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin Untersuchungsgebiet für ein deutschlandweites Forschungsprojekt. Dabei geht es um die Auswirkungen der Landwirtschaft auf die Artenvielfalt in Schutzgebieten, speziell um das Insektensterben und die Ursachen dafür.
Nach Angaben des brandenburgischen Umweltministeriums belegen Untersuchungen bereits, dass es auch in Naturschutzgebieten deutlich weniger Insekten gibt. Die Biomasse sei zwischen 1989 und 2015 um 75 Prozent zurückgegangen. »Dazu besteht dringender Forschungsbedarf. Der großflächige, intakte Nationalpark kann da objektive wissenschaftliche Erkenntnisse bieten«, sagt Ministeriumssprecher Jens-Uwe Schade. Das Ministerium erarbeite derzeit ein Maßnahmepaket zum Insektenschutz. Um näheren Aufschluss über die Arten im unteren Odertal zu erhalten, wird der Insektenbestand nun bis Februar 2022 durch die Fallen erfasst. Sie werden alle zwei Wochen geleert, die gefangenen Arten bestimmt und gezählt.
Malaisfallen heißen die kleinen Zelte korrekt. »Insgesamt sechs wurden im Nationalpark aufgestellt, dazu zwölf Barberfallen am Boden, die vor allem Laufkäfer erfassen«, erklärt Nationalparkleiter Treichel. Zudem gibt es vier Horchboxen, kleine Holzkästen mit Mikrofonen auf Pfählen, mit denen auch Vögel und Fledermäuse über ihre Laute erfasst werden sollen. Dazu werden die ausgewählten Flächen mit Drohnen überflogen, um Veränderungen der Vegetationsstrukturen zu dokumentieren.
»Unsere These ist, dass Pestizide, die auf kommerziellen Ackerflächen genutzt werden, an der Grenze zu einem Schutzgebiet nicht Halt machen, sondern auch dort die Artenvielfalt einschränken. Das wollen wir anhand der Bestandserhebung nachweisen«, sagt Livia Schäffler, wissenschaftliche Leiterin des Forschungsprojektes vom Zoologischen Forschungsmuseum »Alexander Koenig« in Bonn.
Auch für ein weiteres Forschungsprojekt unter Leitung des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung in Halle soll der Nationalpark Daten liefern. »Dabei handelt es sich um eine langfristige ökologische Dauerbeobachtung von Artenvielfalt und Insektenbestand, um Erkenntnisse über Vorkommen in bestimmten Lebensräumen zu erhalten«, erklärt Treichel. Großschutzgebiete und Forschungsgemeinschaften aus ganz Deutschland haben sich für dieses Projekt zusammengeschlossen. dpa
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