Getrennt für ein gemeinsames Ziel

Die Brüder Johannes und Karl-Richard Frey kämpfen auf der Judomatte bei den Europaspielen um Olympiapunkte

  • Miriam Schmidt, Minsk
  • Lesedauer: 3 Min.

Für große Träume braucht es manchmal mutige Entscheidungen. So wie bei Johannes Frey vor eineinhalb Jahren. Der Judoka wechselte von der Gewichtsklasse bis 100 Kilogramm ins Schwergewicht, um sich gemeinsam mit seinem fünf Jahre älteren Bruder Karl-Richard den Traum von den Olympischen Spielen 2020 in Tokio zu erfüllen. »Bis jetzt bereue ich es nicht«, sagt der 22-jährige Johannes.

Aus unfreiwilligen Konkurrenten wurden Weggefährten, die gemeinsam für ihr großes Ziel kämpfen. Denn im Judo kann sich pro Gewichtsklasse nur ein Athlet je Nation für Olympia qualifizieren. Da die Brüder Frey zunächst beide in der Klasse bis 100 Kilogramm kämpften, hätte nur einer fahren können. »Um dem Konkurrenzkampf mit meinem Bruder aus dem Weg zu gehen und die Chancen auf Olympia zu verdoppeln, haben wir diese Entscheidung getroffen«, erklärt Johannes Frey.

»Ich finde es sehr mutig, dass er den Schritt gemacht hat«, urteilt Bruder Richard. Nun kämpfen beide um Punkte für die Olympiaqualifikation. Die wollen sie auch am kommenden Montag bei den Europaspielen in Minsk sammeln. »Die internationale Quali für Olympia ist bretthart«, sagt Bundestrainer Richard Trautmann, der mit den Brüdern täglich in Köln trainiert. »Bei Johannes müssen wir wegen der einjährigen Verletzungspause noch aufholen, aber ich bin optimistisch, dass er das schafft.«

Die Chancen auf eine Olympiaqualifikation sind für Karl-Richard aber auch so deutlich größer. »In Deutschland sind derzeit fast alle guten Athleten in meiner Gewichtsklasse verletzt. Die Konkurrenz ist damit im Moment nicht wirklich da«, sagt er. Johannes dagegen muss sich gegen den ebenfalls starken Sven Heinle durchsetzen. »In der Olympiarangliste steht er auf Position 37, das reicht Stand heute nicht. Aber es ist ja auch noch Zeit«, sagt Sportdirektor Ruben Goebel vom Deutschen Judobund über den jüngeren der Brüder.

Seit eineinhalb Jahren kämpft Johannes, der mit 1,92 Meter vier Zentimeter größer als sein Bruder ist, im Schwergewicht. »Beim Gewichtmachen nach oben geht es um einen gezielten Muskelaufbau«, beschreibt Johannes die Probleme bei der Umstellung. »Man muss viel und regelmäßig das Richtige essen und trinken, Ernährung und Aufbautraining müssen aufeinander abgestimmt sein.« Auch die Verantwortlichen beeindruckt er damit. »Hut ab vor dieser schweren Entscheidung und den damit verbundenen Umstellungen«, sagt Goebel.

Trainer Trautmann ist überzeugt, dass der Wechsel richtig war. »Johannes hat in der kurzen Zeit schon sehr viele Weltklasseleute geschlagen«, lobt er. Er wiegt aktuell 115 Kilogramm - und muss es teils mit Gegnern aufnehmen, die 60 Kilo schwerer sind, damit aber auch langsamer und weniger ausdauernd. »Johannes› Stärke, seine enorme Explosivität, kommt im Schwergewicht viel mehr zum Tragen«, meint Trautmann.

Beim täglichen Training profitieren die Brüder voneinander. »Wir geben uns oft Tipps und beraten uns gegenseitig«, sagt Karl-Richard, der mit Johannes zusammen im Köln lebt. »Auch zu Hause sprechen wir viel über Judo, das ist bei uns eigentlich 24 Stunden Thema.« Johannes sagt: »Ich habe generell ein sehr enges Verhältnis zu meinen Brüdern, sie sind gleichzeitig auch meine besten Freunde.« Der dritte Bruder Gerrit macht inzwischen kein Judo mehr. Alle drei begannen als Kinder gemeinsam.

Johannes macht seine Ausbildung bei der Bundespolizei, Karl-Richard ist bei der Bundeswehr. Beide sind für ihre Wettkämpfe freigestellt. Bei den Europaspielen streben sie eine Medaille an, großes Ziel bleibt aber Olympia. Karl-Richard war 2016 in Rio bereits dabei, wurde Fünfter. In Japan - dem Mutterland des Judos - wollen beide nun gemeinsam, unterstützt von Familie und Freunden den Traum von einer Olympiamedaille verwirklichen.

»Es ist natürlich optimal, dass sie ihr Ziel jetzt gemeinsam angehen können«, sagt Trautmann. »Beide sind wild entschlossen, in Tokio eine Medaille zu gewinnen.« Johannes bekräftigt: »Olympia in Tokio ist für uns etwas ganz Großes.« dpa/nd

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