Sozialistisches Neuhardenberg

Im ehemaligen Musterdorf Marxwalde feiert Mario Eska ein Comeback als Bürgermeister

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Gemeinde Neuhardenberg (Märkisch-Oderland), die zu DDR-Zeiten Marxwalde hieß und als Musterdorf galt, wird jetzt wieder sozialistisch regiert. Mario Eska (LINKE) hat am vergangenen Sonntag die Stichwahl gewonnen und am Dienstag sein Amt als ehrenamtlicher Bürgermeister angetreten. Bürgermeister war er bereits von 2003 bis 2013 und ist es nun erneut. Nicht allein die Tatsache, dass dieser Sieg völlig gegen den brandenburgweiten Trend der Sozialisten bei der Kommunalwahl am 26. Mai zustande kam, macht den Fall besonders. Es sind auch die Umstände, unter denen Eska einst seinen Posten verlor und nun zurückeroberte.

Der gelernte Feinmechaniker war langzeitarbeitslos und hatte bei seinem Hartz-IV-Antrag seine monatliche Aufwandsentschädigung von 610 Euro nicht angegeben. Das Geld wäre ihm aber von seinen Sozialleistungen abgezogen worden, was politisch äußerst fragwürdig ist. Die LINKE ist gegen diese Praxis, Langzeitarbeitslose bei ehrenamtlicher Betätigung zu benachteiligen.

Nach Jahren kam die Sache ans Licht. Eska musste sich 2013 vor dem Amtsgericht Frankfurt (Oder) verantworten. Er rechtfertigte sein Verhalten damit, dass er seinerzeit im Jobcenter in Seelow die falsche Auskunft bekommen habe, er müsse die Aufwandsentschädigung nicht angeben. Einwohner konnten den Eindruck bezeugen, dass sich der Bürgermeister nichts in die eigene Tasche gesteckt hatte. So erzählte ein Musiker, seine Band sei von Eska für einen Auftritt in der polnischen Partnergemeinde chauffiert worden. Der Bürgermeister habe das Benzin und das Mittagessen bezahlt und dazu gesagt: »Dafür bekomme ich die Aufwandsentschädigung doch.«

Aber das entlastete Eska nur moralisch. Er wurde dennoch zu einer Geldstrafe von 3900 Euro verurteilt, das Jobcenter forderte 26 000 Euro von ihm zurück, die er in Raten von 15 Euro pro Monat abstottert. Arbeitslos ist Eska inzwischen nicht mehr. Er hat sich mit medientechnischen Dienstleistungen selbstständig gemacht, verkabelt bei Sport- und Kulturfesten die Tontechnik, könne »auskömmlich« davon leben, sagt er.

Nach seiner Verurteilung war Eska als Bürgermeister zurückgetreten, kandidierte aber einige Monate später bei der Kommunalwahl 2014 erneut. Mit dem Wissen, wie alles gelaufen ist, sollten die Bürger entscheiden, ob sie ihn ankreuzen. Die Bürger entschieden anders. Mit 48,6 Prozent unterlag Eska damals dem parteilosen Detlef Korbanek.

Eska hatte eigentlich nicht vor, Korbanek 2019 herauszufordern. Doch kurz vor der Wahl nannte ihn Korbanek einen »verurteilten Sozialbetrüger«. Eska hat das so aufgefasst, als solle die alte Geschichte vorsorglich aufgewärmt werden, damit er auch wirklich von einer Kandidatur Abstand nimmt. Er fühlte sich so behandelt, als habe er einer Rentnerin die Handtasche gestohlen. Da dachte Eska: »Dem mache ich Licht am Fahrrad.« Doch die Frist, eine Bewerbung als Bürgermeister einzureichen, war schon fast verstrichen. So schnell ließ sich eine Nominierung durch die LINKE nicht mehr realisieren. Darum trat Eska als Einzelbewerber an. Am letzten möglichen Tag gingen zwischen 8 und 16 Uhr noch schnell 38 Einwohner Neuhardenbergs ins Gemeindeamt und leisteten dort die erforderlichen Unterstützerunterschriften.

Den Kontrahenten Korbanek konnte Eska bereits in der ersten Runde der Wahl am 26. Mai aus dem Feld schlagen. Am 16. Juni gewann Eska dann mit 59,4 Prozent die Stichwahl gegen den zweiten Mitbewerber Dieter Arndt (parteilos). »Es war offensichtlich so, dass die Bevölkerung meinte, Detlef Korbanek sei als Bürgermeister zu wenig engagiert gewesen, jedenfalls nicht so engagiert, wie ich es war«, schätzt Eska.

Obwohl ihn die Formulierung »Sozialbetrüger« ärgert, wollte er nicht nachtragend sein. Er hat der Gemeindevertretung vorgeschlagen, Korbanek und Arndt als seine beiden Stellvertreter zu bestimmen. So ist es auch gemacht worden. Der neue Bürgermeister möchte die zwei Männer einbeziehen, mit ihnen zum Wohle Neuhardenbergs zusammenarbeiten.

Dabei hätte er dies formal nicht nötig. Denn während die LINKE bei der Kommunalwahl am 26. Mai in ganz Brandenburg 6,1 Prozent verlor, im Landkreis Märkisch-Oderland sogar 8,1 Prozent, erlebte sie in Neuhardenberg einen Zuwachs, erzielte stolze 38,8 Prozent. »Es war bombastisch«, meint Eska. Alle sieben von der Linkspartei aufgestellten Kandidaten haben nun eine von insgesamt 15 Stimmen in der neuen Gemeindevertretung. Außerdem schloss sich Heiko Schlotte (SPD) der Linksfraktion an. Das bedeutet für die Fraktion die absolute Mehrheit.

»Ich bemühe mich, den hohen Erwartungen aller Neuhardenberger gerecht zu werden«, verspricht Mario Eska. Da er kein Arbeitslosengeld mehr beziehen muss, gibt es mit der Aufwandsentschädigung keine Probleme. Dem Jobcenter hat er einen Brief geschrieben und angeboten, seine Schulden nun mit einer deutlich höheren Rate abzuzahlen.

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