Straßburg bremst Warschau aus
Zwangspensionierung polnischer Richter verstößt gegen EU-Recht
Seit langem machte dieses Gesetz Schlagzeilen: Jenes, mit dem Polens rechtskonservative Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit PiS das Renteneintrittsalter oberster Richter von 70 auf 65 Jahre herabgesenkt hatte. Die Reform gibt dem Präsidenten Polens zudem das Recht, die Amtszeit von Richtern nach eigenem Ermessen zu verlängern.
Der Europäische Gerichtshof EuGH kam nun zum Schluss, dass die Frühpensionierung durch kein legitimes Ziel gerechtfertigt sei und zudem den Grundsatz der richterlichen Unabsetzbarkeit beeinträchtige. So urteilten die Luxemburger Richter am Montag (Rechtssache C 619/18) in Straßburg. Diese Unabsetzbarkeit sei jedoch untrennbar mit der Unabhängigkeit von Richtern verknüpft.
Kritiker werfen der Regierung vor, sie wolle mit der Reform missliebige Richter loswerden. Mehr als 20 Juristen waren dadurch zunächst in den Ruhestand geschickt worden. Die für die Verfolgung von Verstößen gegen EU-Recht zuständige EU-Kommission klagte gegen das Gesetz beim EuGH. Die EU-Kommission sieht wegen fragwürdiger Reformen der nationalkonservativen Regierung seit Jahren die Unabhängigkeit der Justiz in Polen bedroht. Der EuGH kann nun zumindest unter einen Teil des Rechtsstreits einen Schlussstrich ziehen.
Nach einer einstweiligen Verfügung des EuGH hatten die vorzeitig pensionierten Richter ihre Arbeit im vergangenen Jahr bereits wieder aufgenommen. Die polnische Regierung hob das fragliche Gesetz wieder auf.
Ein wichtiger EU-Gutachter hatte jüngst erklärt, dass die fraglichen Regelungen gegen EU-Recht verstießen. Richter dürften nur dann aus dem Dienst entfernt werden, wenn sie arbeitsunfähig oder wegen ihres Verhaltens ungeeignet für das Amt seien. Eine vorzeitige Pensionierung sei nur auf Antrag des Betroffenen oder aus medizinischen Gründen möglich. Diese Einschätzung war nicht bindend, oftmals folgen ihr die EuGH-Richter aber.
Die PiS hat seit ihrer Machtübernahme 2015 das Gerichtswesen umfassend reformiert und es sich Kritikern zufolge unterstellt. Die EU-Kommission leitete 2017 deshalb auch ein Rechtsstaatsverfahren ein, was als schärfste Waffe gegen Regelverstöße von Mitgliedsstaaten gilt, und im letzten Schritt sogar mit einem Entzug der EU-Stimmrechte enden könnte. dpa/nd
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