Gentrifizierung trifft Touristen

Hostels werden inzwischen von Eigentümern in lukrativere Büroimmobilien umgewandelt

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 3 Min.

»Der wirtschaftliche Erfolg der Stadt führt dazu, dass einige Hostels in Berlin aufgelöst und in Büroräume umgestaltet werden«, sagt Burkhard Kieker, Chef der Tourismuswerbeorganisation visitBerlin. Er sieht das als Erfolg an. »Berlin ist einfach zu teuer geworden, daran haben wir gearbeitet«, erklärt er. Insgesamt legten die Durchschnittspreise in Beherbergungsbetrieben zu. »Deswegen ändert sich die Segmentierung«, so Kieker. Sprich: Touristen mit weniger Geld werden durch wohlhabendere verdrängt. Auch Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) sagt zufrieden: »Wir sehen, dass Hostels zunehmend vom Netz gehen.« Sie wünscht sich auch härtere Vorgaben für künftige Hotelansiedlungen.

Diese Entwicklung stützt nach Meinung der beiden die Umsetzung des vor einem Jahr vom Senat beschlossenen Berliner Tourismuskonzepts 2018+. Der Tourismus soll nachhaltiger und stadtverträglicher werden. »Es war an der Zeit, nicht mehr über die reine Quantität, sondern über die Qualität zu sprechen«, sagt Pop dazu. »Wir wollen nicht den Weg von Amsterdam oder Barcelona gehen, wo die Übernutzung so stark ist, dass sich Anwohnerinnen und Anwohner mit Händen und Füßen gegen Tourismus wehren«, so die Senatorin. »Weit gekommen« sei man in dem einen Jahr, findet sie. Es seien viele Grundsteine gelegt worden bei den Themen Lebensqualität, Sicherheit und Sauberkeit für die Anwohner.

Pop hebt die von der Berliner Stadtreinigung im Juni 2018 übernommene Reinigung von bei Touristen sehr beliebten Grünanlagen wie dem Görlitzer und dem Monbijoupark hervor, wofür dieses Jahr zehn Millionen Euro fließen. Im neuen Doppelhaushalt 2020/2021 solle die Summe auf bis zu 14 Millionen Euro pro Jahr steigen und weitere Parks hinzukommen, kündigt sie an. Auch das neue Toilettenkonzept, bei dem das Land alleine über die Standorte der 281 öffentlichen WCs bestimmen kann, die bis Jahresende aufgestellt werden sollen, nennt sie als Beitrag.

Seit letztem Sommer arbeite ein siebenköpfiges Expertenteam daran, die zwölf Bezirke touristisch zu beraten, erklärt Kieker. Entsprechende Kooperationsverträge seien im Oktober 2018 geschlossen worden. Die Bezirke hätten auch für die Handy-App »Going local« touristische Highlights außerhalb der Innenstadt benannt. Mit dem über 100 000 mal heruntergeladenen Programm hoffen die Tourismuswerber, Berlin-Besucher vermehrt in die Außenbezirke zu locken. »Wir machen in erster Linie Dinge, die inspirieren. Zwangsmaßnahmen würden sowieso nicht funktionieren«, ist Kieker überzeugt. Friedrichshain-Kreuzberg werde derzeit bei der Ausarbeitung eines Leitfadens für nachhaltigen Tourismus unterstützt und Mitte zur künftigen Gestaltung des Marx-Engels-Forums beraten.

Um mehr darüber herauszufinden, wo sich Touristen aufhalten, wurde ein Vertrag mit der Telekom-Tochter Motionlogic geschlossen. Mithilfe anonymisierter Mobilfunkdaten sollen unter anderem die touristischen Interessen einzelner Nationalitäten oder Altersgruppen erkundet werden. Für das Schloss Köpenick interessierten sich demnach vor allem Berliner, inländische Touristen - und Franzosen, so eines der ersten Erkenntnisse des erst jüngst vergebenen Auftrags, für den 217 000 Euro fließen.

Katalin Gennburg, Tourismusexpertin der Linksfraktion, lobt, dass es zumindest inzwischen ein Konzept für nachhaltigeren Tourismus gibt. Sie will endlich Fortschritte beim versprochenen Hotelentwicklungsplan sehen und fordert die Abschaffung des Tourismusmarketings in Berlin. »Das Geld soll lieber in ein Tourismusmanagement fließen, als es für eine billige Marke zu verpulvern, während die Kieze ihre Lebensqualität verlieren«, so Gennburg. Amsterdam und Barcelona hätten das vorgemacht.

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