Spaltpilz bei Hamburger Grünen

Im wichtigen Bezirk Mitte gibt es jetzt zwei Fraktionen

  • Reinhard Schwarz, Hamburg
  • Lesedauer: 3 Min.

Wie gewonnen, so zerronnen: Die Grünen waren nach den Bezirkswahlen im Mai die stärkste Fraktion in Hamburg-Mitte. Das war einmal. Die 16-köpfige Fraktion hat sich zerlegt. Nunmehr gibt es zwei grüne Fraktionen: einmal die Mehrheit mit zehn und eine Minderheit mit nur sechs Mitgliedern. Bei den Wahlen zu den Bezirksversammlungen konnten die Grünen im Mai in ganz Hamburg ungewöhnlich gut abräumen. Sie gewannen in vier von sieben Bezirken die Mehrheit noch vor der erfolgsgewohnten SPD.

Auch in Hamburg-Mitte, ein bunter Fleckenteppich mit den »armen« Stadtteilen wie Veddel/Wilhelmsburg, Hamm, Horn und Billstedt auf der einen Seite, der »reichen« Altstadt, Neustadt und HafenCity sowie den »hippen« Vierteln St. Pauli und St. Georg, lagen die Grünen mit 29,3 Prozent vor der SPD mit 27,0 und der LINKEN mit 15,6 Prozent. Mit ihren 16 Abgeordneten hätten die Grünen Anspruch darauf gehabt, den derzeit amtierenden Bezirksamtsleiter Falko Droßmann (SPD) abzulösen. Hätten. Denn die Mehrheit ist futsch. Nun ist die angeschlagene SPD mit ihren 14 Sitzen wieder die stärkste Gruppierung in dem Kommunalparlament.

Hintergrund der Spaltung ist der Vorwurf gegen zwei der neuen grünen Abgeordneten, sie hätten Kontakte zu islamistischen Gruppierungen. Einem wird vorgeworfen, er habe zu Spenden für eine extremistische Hilfsorganisation aufgerufen. Der andere habe sich bei Veranstaltungen derart radikal im islamistischen Sinne geäußert, dass Zweifel an seiner Verfassungstreue aufgekommen seien.

Doch dieser Schuss ging nach hinten los. Vier andere Abgeordnete solidarisierten sich mit den vermeintlichen »Islamisten«. Die Bezirksabgeordnete Nicole Kistenbrügger warf dem Parteivorstand laut »Hamburger Abendblatt« »Rufmord« vor: »Hier wird das Leben von zwei jungen Männern kaputt gemacht.«

Bei der konstituierenden Sitzung der neuen Bezirksversammlung traten schließlich zwei grüne Fraktionen auf. Rechtlich sei dies möglich, fanden Experten nach juristischen Recherchen heraus. Politisch ist die Abspaltung für die eben noch so siegessicheren Grünen eine Katastrophe. Der Landesvorstand hat die sechs Abtrünnigen, die sich »Grüne 2« nennen, nun aufgefordert, die Partei zu verlassen, und mit einem Ausschlussverfahren gedroht. »Klar ist, es kann keine zwei Grünen-Fraktionen geben«, sagte Martin Bill, stellvertretender Landesvorsitzender, laut NDR. Die Sechser-Gruppe betonte indes, in der Partei bleiben zu wollen.

Der Streit wird mittlerweile vor allem über die Medien ausgetragen, wobei es auch um die Deutungshoheit darüber geht, wer die Schuld an dem Zwist trägt. So hatte ein Vertreter der Mehrheit behauptet, die »Abweichler« hätten von sich aus die Fraktion verlassen. Diese weisen das zurück. Sie seien während der konstituierenden Sitzung der Fraktion am 14. Juni ausgeschlossen worden und hätten erst daraufhin eine eigene Gruppe gebildet. Unklar ist allerdings, woher die Parteispitze ihre Informationen über die beiden »islamistischen« Abgeordneten hat, zumal der Spendenaufruf des einen Mitglieds schon länger zurückliegen soll.

Derweil laufen in der Parteiführung Überlegungen, sich Neumitglieder etwas genauer anzuschauen, bevor man sie als Kandidaten aufstellt. Die mit bisher rund 1500 Mitgliedern traditionell personell eher schwachen Hamburger Grünen haben, seit sie als Erfolgsmodell gelten, ungewöhnlichen Zulauf. »Man muss in solchen Situationen, wo man großen Zuwachs hat, gucken, wie managt und wie händelt man dieses Wachstum.« Das erklärte die Hamburger Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank in einem Interview des NDR.

Fegebank wird in den Medien der Hansestadt bereits als nächste Bürgermeisterin gehandelt. Am 23. Februar nächsten Jahres wird in Hamburg wieder gewählt, dieses Mal zur Bürgerschaft.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -