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Vorbereitung auf den Machtwechsel
Die konservative Nea Dimokratia steht vor einem Wahlsieg und bedient dabei auch das Rechtsaußenlager
Vier von zehn Griechen werden am Sonntag anders wählen als noch 2015, glaubt die griechische Zeitung »To Vima«. Davon profitieren wird vor allem die konservative Nea Dimokratia (ND), die in Umfragen schon Anfang 2016, wenige Monate nach der Wiederwahl von Alexis Tsipras und SYRIZA, diese in der Wählergunst überholte. Offenbar eine Quittung für die angeblich alternativlose Umsetzung der Austeritätsprogramme, die für die Mehrheit der Bevölkerung eine große Belastung darstellen. Die Enttäuschung über SYRIZA ist bis heute der konservativen Opposition zuträglich. Daher wird am Sonntag weniger gewählt als abgewählt.
ND-Parteiführer Kyriakos Mitsotakis gelang es, viele Wähler davon zu überzeugen, dass Griechenland nicht mehr vor der Staatspleite, sondern »vor SYRIZA gerettet werden muss«, meint Marianthi Anastasiadou, die gerade an der Pädagogischen Hochschule in Freiburg zur politischen Rechten in Griechenland promoviert. Die gebeutelte Mittelschicht fühle sich wieder mehr zu einer »alten Partei« hingezogen. Auch bei Unternehmern punkte Mitsotakis, etwa weil SYRIZA Kontrollen der korrekten Bezahlung von Löhnen eingeführt hat.
Der ND-Chef profiliert sich vor allem als kompetenter Wirtschaftspolitiker und zeichnet das Bild einer (neoliberalen) Erneuerung. Mitsotakis verspricht mehr Wachstum, Investitionen und Arbeitsplätze - laut einer Umfrage von Ende März war dies das wichtigste Thema im Wahlkampf, gefolgt von »Steuern« und dem »Prespa-Abkommen« mit Nord-Mazedonien. Dabei steht er laut Kritikern eigentlich für etwas ganz Anderes: Als »Produkt des Nepotismus« sei er weniger den Märkten als den seit Jahrzehnten einflussreichen griechischen Familien verpflichtet. Sein Vater war Anfang der 1990er Jahre Premier, sein Großonkel bekleidete dieses Amt zwischen 1910 und 1933 insgesamt 15 Jahre.
Auch wenn der rechte Parteiflügel, repräsentiert durch Vizechef Andonis Georgiadis, im Wahlkampf weniger in Erscheinung getreten ist, wendet sich die Partei auch an das ganz rechte Spektrum. Mit Erfolg: Bei der Europawahl Ende Mai konnte die ND viele Wähler der neonazistischen Goldenen Morgenröte und der nationalkonservativen ANEL auf ihre Seite ziehen. Indirekt ist das auf das von SYRIZA vorangetriebene Prespa-Abkommen zurückzuführen. Darin war geregelt worden, dass sich der nördliche Nachbar nun Republik Nord-Mazedonien nennen darf, was griechische Nationalisten unbedingt verhindern wollten. Die ND schlug sich klar auf deren Seite. Und die ANEL, mehrjähriger Koalitionspartner in der SYRIZA-Regierung, verließ diese zwar wegen des Streits, ist aber in der politischen Bedeutungslosigkeit versunken.
Bei der Europawahl überraschte vor allem eines: Während Umfragen die Goldene Morgenröte als drittstärkste Kraft sahen, stürzten die Rechtsextremen auf 4,88 Prozent ab, eine Halbierung der Stimmen im Vergleich zur vorherigen Europawahl. Inzwischen ist sogar unklar, ob sie am Sonntag die Drei-Prozent-Hürde schaffen und wieder ins Parlament einziehen wird. Als Grund gilt vor allem der laufende Prozess gegen die Führungsspitze wegen Gründung einer kriminellen Vereinigung - Hintergrund ist der Mord an dem Rapper Pavlos Fyssas im September 2013. Einerseits erschwerte der Prozess laut Marianthi Anastasiadou den Wahlkampf, andererseits führt er vielen Protestwählern von 2015 das Ausmaß des rechten Terrors vor Augen. Sie kehren womöglich zur ND zurück. Vor allem viele Jungwähler (17-24 Jahre) dürften aber weiter für die Goldene Morgenröte stimmen. Anastasiadou führt das unter anderem auf deren Präsenz und Mobilisierung bei den Protesten gegen das Prespa-Abkommen zurück.
Viele Stimmen gehen indes auch an eine neue rechtsradikale Partei namens Elliniki Lysi (Griechische Lösung), die schon bei der Europawahl auf 4,18 Prozent kam. Die Partei ist eine One-Man-Show von Kyriakos Velopoulos, der einem großen Publikum aus dem Teleshopping bekannt ist und die Einführung der Todesstrafe wie den Bau einer Mauer an der Grenze zur Türkei fordert.
Ein Patriot sei kein Nazi, sagte ND-Chef Mitsotakis während der Proteste gegen das Prespa-Abkommen. Damit öffnete sich seine Partei nach rechts, auch wenn sie nur Politiker aus der zweiten und dritten Reihe auf die Kundgebungen schickte. Im Wahlkampf versuchten sich die rechten Parteien aber wieder deutlich voneinander abzugrenzen. Doch es gibt auch personelle Überschneidungen, denn immer wieder wechseln Politiker im rechten Lager die Partei. Der gemeinsame rechte Diskurs wurde in der Mazedonien-Frage offensichtlich, meint Anastasiadou. Sie inszenierten sich als Hüter der Nation. Mitsotakis hat jetzt ein höheres Kindergeld versprochen - aber nur für Eltern mit griechischer Staatsbürgerschaft.
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