Fünf Blöcke sind eine Faust

Leipzig will am Samstag unteilbar sein. »nd« hat mit einigen der verschiedenen Organisatoren der Großdemonstration geredet.

  • Fabian Hillebrand
  • Lesedauer: 6 Min.

Menschen mit Regenbogenflaggen und Menschen mit Fußballfahnen. Und manche auch mit beidem. Lauter Techno, orangene Rettungswesten. Alteingessene und Neudazugekommene. Solidarische Taxifahrer und republikanische Anwälte. Zusammen waren sie unteilbar. Im Oktober 2018 in Berlin. Zusammen mit 250.000 Menschen die »für eine offene und freie Gesellschaft« auf die Straße gingen. Das Bündnis #unteilbar plant eine Weiterführung ihrer Proteste für eine solidarische Gesellschaft.

Lesen Sie auch: Die Schreckstarre brechen. Fabian Hillebrand begrüßt Aktionen von »Unteilbar« in Sachsen

Diesmal in Ostdeutschland und parallel zu den dort im Herbst stattfindenden Landtagswahlen. Los geht es am Samstag, den 06. Juli in Leipzig. Dort gibt es verschiedene Blöcke, die sich unterschiedlichen Themen widmen. »nd« hat mit einigen Organisatoren gesprochen.

Anna Horn: Unteilbar feministisch kämpfen

Warum beteiligt ihr euch als Queere/Feministische Gruppen an #unteilbar?
Weil wir denken, dass antirassistische, soziale sowie feministische und queere Auseinandersetzungen untrennbar miteinander verbunden sind: Bewegungen sind nur dann tatsächlich emanzipatorisch, wenn sie geschlechtliche Diskriminierungsstrukturen reflektieren und bekämpfen. Zugleich muss unser Einsatz für Frauen und LGBTTIQ*s immer auch einer gegen rassistische und antisemitische Spaltung sein; er muss soziale und ökologische Themen wie bezahlbaren Wohnraum und globale Klimagerechtigkeit mitdenken. Die Stärke von #unteilbar ist es, Knotenpunkt für verschiedene progressive Bewegungen zu sein.

Was blüht der feministischen Bewegung, Frauen, Queers, bei einem erstarken der AfD bei den Landtagswahlen?
Ganz unmittelbar: Die Streichung von Fördergeldern für feministische und queere Projekte, sodass deren Umsetzung enorm erschwert würde. Darüber hinaus: Wenn eine Partei weiter erstarkt, die Antifeminismus mit völkischer Ideologie verbindet, traditionelle Geschlechter- und Familienbilder hochhält, eine Partei, die eng mit ultraorthodoxen Abtreibungsgegner*innen vernetzt ist; was das für Migrant*innen, für eine Pädagogik der Vielfalt und viele andere bedeuten würde – es ist nicht schwer und dafür umso bestürzender sich auszumalen, was uns durch eine Regierungsbeteiligung der AfD blühen könnte.

Was heißt das, ein unteilbarer Feminismus?
Unsere Feminismen sind vielfältig – was ihre thematischen Schwerpunkte, die zugrundeliegenden politischen Analysen und unsere Aktionsformen anbelangt: Unteilbar feministisch Kämpfen kann deshalb nicht bedeuten, dass wir konfliktscheu sein und aufhören sollten, Debatten zu führen, wo unsere Haltungen auseinander gehen. Aber es heißt, dass wir für einen Moment betonen wollen, worin wir uns einig sind: Ohne Geschlechtergerechtigkeit gibt es keine offene und freie Gesellschaft!

Lea Knoff: Bei der Klimafrage geht es um alles!

#Unteilbar und ein Klimablock, wie passt das zusammen?
Bei der Frage der Klimagerechtigkeit geht es immer um alles: Um Rassismus und Kolonialismus, denn die Reichen produzieren die meisten C02-Emissionen – und der globale Süden leidet darunter, ist dem Klimawandel am schutzlosesten ausgeliefert. Klassenzugehörigkeit spielt auch eine Rolle: Wer kann es sich leisten, das Klima zu schonen und wer nicht. Was müsste sich ändern, damit es alle können. Solche Fragen sind zentral und wir fühlen uns richtig bei #unteilbar, um diese Dinge voranzubringen.

Die Kampagne #unteilbar läuft dieses Jahr parallel zu den Landtagswahlen, was blüht uns bei einem Erstarken der AfD?
Die CDU hat sich in Sachsen nie wirklich für den notwendigen klimapolitischen Wandel eingesetzt. Aber ein Erstarken der AfD würde die Lage noch verschärfen. Diese Partei ist für einen Verbleib in der Braunkohle, einer klimaschädlichen Industrie. Sie beherbergt Klimawandelleugner. Die AfD versucht, gewerkschaftliche Kämpfe und die Klimabewegung zu spalten. Indem sie den Arbeiter*innen sagt, wir würden ihnen die Arbeitsplätze wegnehmen wollen. Dabei ist es der fossile Kapitalismus, der unser aller Zukunft in Gefahr bringt. Wir sagen: Jetzt erst recht für das Klima und gegen die AfD demonstrieren – und zwar unteilbar.

Nam Duy Nguyen: Das Sterben muss aufhören

Warum einen antirassistischen Solidarity / Seebrücke Block?
Ein Kerngedanke von #unteilbar lautet, dass Flucht, Migration und die soziale Frage zusammengehören. Durch das Erstarken der Rechten, das Sterben im Mittelmeer oder die zunehmende Hetze und Gewalt gegenüber Muslima sind wir mehr denn je gefragt, den Kampf gegen Rassismus zu organisieren und Migrant*innen zu stärken.

Was droht uns mit der AfD?
Für die rassistische Asylpolitik der Ankerzentren und Abschiebungen hat es die AfD bisher nicht an der Regierung gebraucht. Rechte und Nazis an der Regierung würden diese Verhältnisse aber nochmal deutlich verschärfen, das sehen wir in Österreich und Ungarn.

Ihr demonstriert auch gegen die Kriminalisierung der Seenotrettung?
Ja, denn für uns ist ganz klar: Das Sterben im Mittelmeer, wie auch die Verschiebung der europäischen Außengrenze in den afrikanischen Kontinent hinein, müssen aufhören! Viele Städte und Kommunen haben sich bereit erklärt, als sichere Häfen mehr Geflüchtete aufzunehmen. Das konnten die Seebrücke-Bewegung im vergangenen Jahr erkämpfen. Diesen Widerspruch zwischen gesellschaftlicher Bereitschaft und den Toten im Mittelmeer sowie der Kriminalisierung von Seenotrettung werden wir mit #unteilbar auf die Straße tragen!

Rosa Schulte-Frohlinde: Menschen werden unter der AfD gesundheitlich leiden.

Ihr organisiert auf der unteilbar-Demonstration einen Gesundheitsblock?
Ja. Im Grunde bedeutet Gesundheitsversorgung, jeder Person ihr bestmögliches psychisches und physisches Wohlbefinden zu ermöglichen, und zwar unabhängig von ihrer Herkunft, Ethnie, Religion, sozialem Status, Gender oder Sexualität. Krankheit und Ausgrenzung sind wiederum nachweislich eng miteinander verknüpft. Gesundheit braucht also Solidarität.

Und diese Solidarität ist nicht mit allen Parteien machbar?
Die AfD lockt mit scheinbar vielversprechenden Forderungen, wie zum Beispiel dem Abbau der Krankenhausprivatisierung und des Pflegemangels, um dabei Europa als schuldige Macht zu etablieren. Neben dem Ausbluten des Solidarsystems, nutzt sie die Angst vor Infektionskrankheiten, um gegen Geflüchtete zu hetzen. Gesundheit und medizinische Versorgung wird gezielt missbraucht, um Diskriminierung, Nationalismus und Ausgrenzung zu rechtfertigen.
Alle die nicht in das völkisch konservative Weltbild der AfD passen, werden gesundheitlich unter ihr zu leiden haben.

Warum erstarken die Kämpfe um Gesundheit und Pflege in den letzten Jahren?
Seit der Einführung des Fallpauschalensystems als Vergütungssystem im Krankenhaus und der Öffnung des Gesundheitswesens für private Investoren hat der ökonomische Druck auf die Krankenversorgung sichtlich zugenommen. Das gesundheitliche Personal, im Besonderen die Pflege, hat unter diesem besonders zu leiden. Dank der massiven Proteste zeigen sich kleine Veränderungen, aber eine grundlegende, problemorientierte Lösung scheint nicht in Sicht.

Neben den genannten Blöcken wird es einen Kunst- und Kulturblock geben. In dem Aufruf heißt es: »die Kraft von Kunst und Kultur bewegt Menschen, ist mit ihren diversen Ausdrucksformen seit jeher ein vorgehaltener Spiegel der Gesellschaft«. Auch die Deutsch-Israelische Gesellschaft Leipzig kündigt an, gemeinsam und mit Israel-Fahnen an der Demonstration teilzunehmen.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.