Reise in die Vergangenheit

Überlebende der Kindertransporte aus den USA besuchten das Berliner Abgeordnetenhaus

  • Jérôme Lombard
  • Lesedauer: 3 Min.

Fünf Holocaust-Überlebende aus den USA waren in der vergangenen Woche zu Gast in Berlin. Am Freitag wurden sie gemeinsam mit ihren mitgereisten Angehörigen vom Präsidenten des Berliner Abgeordnetenhaus, Ralf Wieland (SPD), in den Räumen des Landesparlaments empfangen. Der Termin mit dem Parlamentspräsidenten war für die Zeitzeuginnen und Zeitzeugen Teil einer mehrtägigen Reise durch Europa. Die Überlebenden, die 1938 und 1939 mit den Kindertransporten aus NS-Deutschland nach Großbritannien emigrieren konnten, besuchten auf ihrer Reise Orte ihrer Kindheit in Wien, Berlin, Amsterdam und London. Organisiert wurde die Veranstaltung von der »Kindertransport Association« (KTA) aus New York.

»Ihr Besuch hat eine große Bedeutung für Berlin«, sagte Parlamentspräsident Wieland gegenüber der Delegation. »Die Geschichte der Kindertransporte und das Schicksal der beteiligten Familien steht in Deutschland viel zu selten im Fokus einer breiten Öffentlichkeit.« Die Berliner Staatssekretärin für Bürgerschaftliches Engagement, Sawsan Chebli (SPD), sagte, dass der Besuch der Holocaust-Überlebenden in der Bundeshauptstadt keinesfalls eine Selbstverständlichkeit sei. »Es ist ein Geschenk, dass Sie hier sind«, so Chebli. »Ich weiß, dass manche von Ihnen sich zum ersten Mal dazu entschieden haben, in dieses Land zu reisen.« Der Kampf gegen Antisemitismus habe für den Berliner Senat allerhöchste Priorität, betonte die Sozialdemokratin. »Wenn Juden in Deutschland wieder in Gefahr sind, ist es auch unsere Demokratie«, sagte Chebli.

Hannah Dannel, Kulturreferentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, hieß die Zeitzeuginnen und Zeitzeugen im Namen der Jüdischen Gemeinde zu Berlin herzlich willkommen. »Wir alle sind sehr beeindruckt von Ihren bewegenden persönlichen Geschichten«, so Dannel. Die Kindertransporte zeigten den Horror, den es bedeute, in einer Notsituation von einem geliebten Menschen zwangsweise Abschied nehmen zu müssen. »Unsere Aufgabe heute ist es, jüdisches Leben in Deutschland weiter zu stärken und den Kampf gegen Antisemitismus und Rassismus konsequent zu führen«, erklärte Dannel.

KTA-Präsidentin Melissa Hacker dankte Parlamentspräsident Wieland und dem Berliner Abgeordnetenhaus für den Empfang der Delegation. »In diesem Jahr, in dem sich der Anfang der Kindertransporte zum 80. Mal jährt, wollen wir die Eltern ehren, die ihre Kinder gebrochenen Herzens fortschickten, um sie vor dem sicheren Tod zu retten«, sagte Hacker, selbst Tochter einer Überlebenden der Kindertransporte.

Höhepunkt der Veranstaltung war die Rede von Ralph Mollerick. Der 89-Jährige aus Florida wurde in Kassel geboren. Mit acht Jahren wurde er von seinen Eltern über Hamburg nach England geschickt. Später emigrierte er weiter in die USA. »Ich bin stolz darauf, im Berliner Parlament, das sich der Wahrung des Friedens und der Demokratie verpflichtet hat, über meine Erfahrungen sprechen zu können«, so Mollerick. Er könne sich noch gut an die Situation auf dem Hauptbahnhof in Hamburg Ende des Jahres 1938 erinnern. »Menschen weinten, schrien, beteten, sangen - die Situation am Gleis war einfach dramatisch«, erinnerte sich der Zeitzeuge. Als kleiner Junge habe er nicht verstehen können, warum er sich von seinen Eltern verabschieden musste. »Ich habe sie nie wieder gesehen«, sagte Mollerick. Das Trauma des Abschieds trage er wie alle Überlebende bis heute mit sich. Mollerick betonte, wie wichtig es auch im Jahr 2019 sei, an die Verbrechen des NS-Regimes zu erinnern. »Ich hoffe inständig, dass wir in Europa und Amerika alle von der Vergangenheit lernen werden.« Er appellierte insbesondere an Lehrer und Pädagogen: »Sorgen Sie dafür, dass die Geschichte der Kindertransporte niemals in Vergessenheit gerät.«

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