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Die Angst weichen lassen
Fahrradspuren in Mittellage führen häufig zu mehr Unfällen mit schweren Verletzungen
Wer mit dem Rad an der Kreuzung von Alexanderstraße und Otto-Braun-Straße schon einmal geradeaus weiter Richtung Strausberger Platz gefahren ist, kennt das Problem: Im Kreuzungsbereich gibt es eine zusätzliche Spur für Rechtsabbieger. Die Spur für die geradeaus fahrenden Radfahrer liegt dann zwischen der Abbiegespur der Autofahrer und der geradeaus weiterführenden Autospur.
Diese Radfahrstreifen in Mittellage werden auch Fahrradweichen genannt oder wie die Verkehrsaktivisten des aus dem Fahrrad-Volksentscheid hervorgegangenen Vereins Changing Cities sagen: »Angstweichen«. Damit ein Autofahrer von seiner Geradeaus- auf die Abbiegespur kommt, muss er nämlich den Radstreifen kreuzen. Radfahrer fühlten sich in dem Moment durchaus unsicher, »wenn Kfz-Fahrende ›nur noch schnell‹ die Grünphase erwischen wollen und ihnen die Radfahrenden dabei bloß als Hindernis im Weg sind«, meint Tobias Kraudzun von Changing Cities.
Eine Studie der Technischen Universität Berlin (TU) bestätigt jetzt, dass Radweichen nicht nur ein mulmiges Gefühl hervorrufen, sondern dass sich diese Art der Verkehrsführung »nicht generell positiv auf die Sicherheit« auswirkt, wie es in der Studie des Verkehrswissenschaftlers Thomas Richter heißt. »Nicht generell positiv« meint hier: mitunter gefährlich. Die TU Berlin hat von 2015 bis 2017 an insgesamt 48 Verkehrsknotenpunkten in drei Städten unter anderem untersucht, wie sich die Fahrradweichen auf die Unfallschwere an Kreuzungen auswirken. So sei mit der Markierung eines Mittelstreifens für Fahrradfahrer »ein höherer Anteil von Unfällen mit schwerem Personenschaden« verbunden, heißt es in der Studie. Nach der Einführung der Fahrradweiche an den untersuchten Knotenpunkten habe es zwar keine Unfälle mit Todesfolge gegeben. Der Anteil der Unfälle mit schweren Verletzungen sei allerdings von 9,8 auf 15,8 Prozent gestiegen.
Eigentlich sollen durch Fahrradweichen Konflikte zwischen Autofahrern und Radlern verhindert werden. »Um Rechtsabbiegerunfälle von geradeaus fahrenden Radfahrenden und rechts abbiegenden Fahrzeugen entgegenzuwirken, wurden häufig sogenannte Fahrradweichen als Stand der Technik in Berlin umgesetzt«, heißt es aus der Senatsverwaltung für Verkehr.
Die Studie der TU hat allerdings ergeben, dass mit der Einrichtung von Fahrradstreifen in Mittellage fast ein Viertel der Unfälle einfach nur von der Kreuzung in den Einfädelungsbereich verlegt werden, in dem Autofahrer den Fahrradstreifen überfahren müssen, um sich zum Rechtsabbiegen einzuordnen. Mit der Verlagerung sei laut dem Verkehrswissenschaftler auch der Anstieg schwerer Unfälle zu begründen.
Tobias Kraudzun verwundert das nicht: »Im Einfädelungsbereich sind die Pkw-Geschwindigkeiten meist größer als an der Kreuzung selbst.« Allerdings zeigt die Studie auch, dass die Gefährlichkeit durchaus von verschiedenen Faktoren abhängt. Zu schweren Unfällen kommt es demnach seltener, wenn die Fahrradweichen farblich markiert und breiter sind, sie außerdem von einer nennenswerten Zahl von Radfahrern genutzt werden und der KFZ-Verkehr moderat ist.
Changing Cities fordert trotzdem, generell keine Fahrradweichen mehr zu bauen und alle bestehenden bis 2030 zu sicheren Kreuzungen umzubauen. Aus der zuständigen Senatsverwaltung heißt es: »Soweit derzeit noch solche Führungsformen umgesetzt werden, handelt es sich meist um ältere Planungen. Diese werden in der nächsten Zeit geprüft und gegebenenfalls auch angepasst.«
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