Nicht noch ein Afghanistan

Bündnisse können heikel sein - die USA wollen Bundeswehr-Bodentruppen in Syrien

  • René Heilig
  • Lesedauer: 4 Min.

Bereits im Dezember hatte US-Präsident Donald Trump angekündigt, rund 2000 Soldaten aus Nordost-Syrien abzuziehen. Die US-Militärs unterstützen dort die Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF), denen die Kurdenmiliz YPG und andere Rebellengruppen angehören. Trumps Idee war offenbar recht spontaner Art. Entsprechend groß war das Entsetzen. Die YPG fühlte sich getäuscht und missbraucht, Verbündeten aus der Anti-IS-Koalition, der 80 Länder angehören, erkannten einmal mehr die Planlosigkeit ihres Einsatzes unter US-Führung. Erschwerend kam hinzu, dass die IS-Truppen damals noch recht aktiv waren. Der NATO-Partner Türkei schickte sich gerade wieder einmal an, offene Rechnung mit den Kurden zu begleichen. Auf syrischem Territorium.

Trump ruderte zurück. Nun wollen die USA noch 400 Soldaten in der Region belassen, um dort den Einfluss nicht zu verlieren. Zugleich bemüht sich Washington in der Anti-IS-Allianz um soldatische Hilfskräfte.

Am Freitag war der US-Sonderbeauftragte für Syrien und die Anti-IS-Koalition, James Jeffrey, daher in Berlin. »Wir wollen von Deutschland Bodentruppen, um unsere Soldaten teilweise zu ersetzen«, sagte er und rechne mit einer »klaren Antwort«. Und weiter: »Im Juli werden wir die Antworten auf unsere Bitten sammeln und dem Präsidenten vorlegen.« Jeffrey erwartet, dass sich die Verbündeten bis dahin »wirklich Mühe gegeben haben«.

Deutschland ist an der Anti-IS-Koalition bisher mit »Tornado«-Aufklärungsjets und einem Tankflugzeug beteiligt. Die Maschinen operieren von Jordanien aus, das Mandat läuft Ende Oktober aus. Man plante bereits den Rücktransport, denn der Einsatz hat in der aktuellen Situation kaum militärischen Wert. Plötzlich aber verkündete Außenminister Heiko Maas (SPD) Anfang Juni beim Besuch der Basis Al Azraq, die Regierung sei zur Verlängerung bereit.

Entscheiden muss das Parlament. Doch das geht frühestens im September. Derweil mühen sich in Irak Bundeswehrsoldaten als Ausbilder, drillen in Erbil kurdische Peschmerga-Kämpfer und bei Bagdad Angehörige der Regierungstruppen. Auch an Bord eines AWACS-Aufklärers wachen deutsche Soldaten.

Nun also Bodentruppen. Die USA machen Tempo. Sie wollen Ausbilder, Logistiker und andere Spezialisten aus Deutschland. Eine konkrete Anzahl nannte Jeffrey nicht, insgesamt würden Hunderte benötigt. Und natürlich kann der Rekrutierer nicht garantieren, dass die Soldaten nicht in Kämpfe jeder Art verwickelt werden. Der Afghanistan-Einsatz ist ein Beispiel für eine in jede Richtung unkontrollierbare Eskalation. Der Einsatz von deutschen Truppen Syrien wäre aus vielen Gründen politisch heikel. Zunächst ist da das Völkerrecht. Wie immer man zur Regierung von Baschar al Assad steht - anders als Soldaten aus Russland oder Iran hat sie die deutschen nicht eingeladen. Aus der Sicht von Damaskus wären die also Eindringlinge. Ob die Entscheidungen der UNO für eine Stationierung der Bundeswehr - und damit für ein entsprechendes Bundestagsmandat - ausreichen, ist zweifelhaft. Der UN-Sicherheitsrat hat in seinen Resolutionen, die auf die Zerschlagung des IS abzielen, immer wieder die »Einhaltung des Völkerrechts« betont.

Ein zweiter kritischer Punkt: Für den NATO-Partner Türkei ist die Kurdenmiliz YPG ein Ableger der von Ankara bekämpften kurdischen Arbeiterpartei PKK. Mehrfach kam es in Syrien schon zu Zusammenstößen zwischen YPG- und Erdogans Einheiten. Und: Wäre es nicht ziemlich absurd, wenn deutsche Soldaten in Syrien Kollegen ausbilden, die als Ärmelabzeichen eine Fahne tragen, gegen die in Deutschland Polizisten ausgeschickt werden, wenn sie bei Demonstrationen geschwenkt wird?

Sollten deutsche Soldaten in Syrien stationiert werden, ist es nicht ausgeschlossen, dass - trotz aller bisherigen Absprachen mit US- und türkischen Militärstäben - über ihren Köpfen Flugzeuge, Helikopter oder Drohnen mit einem roten Stern am Rumpf auftauchen. Und wie liefe das mit der Kriegspartei Iran? Das Verhältnis zwischen Washington und Teheran ist extrem gespannt. Nicht nur in der Atomfrage. Es kam schon mehrfach zu kritischen Situationen, wenn sich US- und iranische Truppen in Syrien begegneten. Zudem haben die USA generell deutlich gemacht, dass sie die Präsenz iranischer Verbände dort nicht dulden werden. Sie verlangen ihren Abzug. Schon um Israels Sicherheit zu gewährleisten. Die liegt auch Deutschland am Herzen. Doch will man dafür das Leben eigener Soldaten riskieren?

Derzeit ist die Ablehnung eines solchen Syrien-Einsatzes in Deutschland groß. Während einige Unionspolitiker, angeführt von der CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer, sich am Sonntag nicht festlegen wollten, kam von der schwarz-roten Regierung am Montag eine Absage. Regierungssprecher Steffen Seibert erklärte noch etwas vage: Man fasse ins Auge, die bisherigen Maßnahmen fortzusetzen. Man wolle Gespräche mit allen Anti-IS-Koalitionären darüber, wie das Engagement weiterentwickelt werden könne. Dabei gebe es militärische und zivile Komponenten. Trumps Reaktion wider die militärisch abermals unwilligen Deutschen wird nicht lange auf sich warten lassen.

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