»Die Gesellschaft ist weiter als die Politik«

IG Metall und die großen Umweltverbände BUND und NABU legen Papier zur Klima- und Mobilitätswende vor

  • Jörg Staude
  • Lesedauer: 3 Min.

Möglicherweise muss man dem vielgescholtenen Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) dankbarer sein, als das gemeinhin üblich ist. Denn in der Arbeitsgruppe 1 der ehemaligen Verkehrskommission saßen im Frühjahr auch die Spitzen von IG Metall sowie der beiden Umweltverbände BUND und Naturschutzbund (NABU) zusammen - mit einem »mutlosen und fantasielosen Minister«, wie sich Ernst-Christoph Stolper, Vizevorsitzender des BUND, am Mittwoch erinnerte. In dem Gremium habe es unter den Verbänden ein größere Einigkeit gegeben als mit dem Minister. Stolpers Resümee: »Die Gesellschaft ist weiter als die Politik.« Ausdruck dessen ist ein gemeinsames Positionspapier zur Klima- und Mobilitätswende, das BUND, NABU sowie die IG Metall am Mittwoch in Berlin vorstellten. Darin drängen die Beteiligten auf einen schnelleren und sozialen Umbau der Energiewirtschaft und des Verkehrs. Dazu soll sich die Bundesregierung von der »schwarzen Null« verabschieden

Gewerkschaftschef Jörg Hofmann erklärte das Zusammenfinden der »ungewöhnlichen Allianz« damit, dass Metaller eben nicht nur an sicherer Arbeit interessierte Beschäftigte seien, sondern auch Bürger, die für sich und ihre Kinder daran interessiert sind, dass der Planet lebenswert bleibt. Schließlich seien sie auch Verbraucher, die eine »preislich erträgliche« Energie- und Mobilitätsversorgung wollten.

Wie man die Interessen von Beschäftigten, Bürgern und Verbrauchern zusammenführen kann, dazu liefert das Positionspapier jedoch nur recht allgemeine Floskeln. So treten die drei Organisationen für eine »effektive Klimaschutzpolitik« genauso ein wie für eine aktive Politik zur »Verringerung der sozialen Spaltungen«. Man wolle nicht, dass Arbeit und Umwelt gegeneinander ausgespielt werden, aber auch nicht die Energiewende gegen die Natur, beschrieb NABU-Präsident Olaf Tschimpke seinerseits die große Leitlinie. Entsprechend nebulös positioniert sich Papier zum Thema CO2-Besteuerung. Zwar wird einerseits die Ausdehnung des Emissionshandels auf Wärmeerzeugung und Verkehr klar abgelehnt, die Einführung einer CO2-Bepreisung wird andererseits zu einem »Teil eines notwendigen Instrumentenbündels« erklärt. Dieses müsse in sektorspezifische Maßnahmepakete eingebunden sein.

Übersetzt soll das in etwa bedeuten: Bevor zum Beispiel Energie oder Mobilität verteuert werden, haben den Haushalten nutzbare Alternativen bereitzustehen wie kleinere und erschwingliche E-Autos oder ein preiswerter öffentlicher Nahverkehr. Eine CO2-Bepreisung müsse, erläuterte BUND-Vize Stolper, integriert werden in Konzepte, die den Leuten Alternativen böten. »Wenn man Menschen belastet, muss man ihnen einen Ausweg zeigen«, sagte Stolper. Weitaus schärfer als der Umweltvertreter ging IG-Metall-Chef Hofmann mit der CO2-Steuer ins Gericht. »Mit der CO2-Bepreisung haben wir gerade einen rosaroten Elefanten im Schaufenster stehen«, sagte der Gewerkschaftschef. Für ihn stellt sich das als ein »Riesenablenkungsmanöver« dar. Dabei sei noch nicht einmal klar, welche Lenkungswirkung eine solche Steuer überhaupt habe.

Wenigstens in dem Punkt zeigte sich am Mittwoch ein kleiner Dissens zwischen dem Metaller und den Umweltleuten. So kann sich BUND-Vizechef Stolper für das Modell einer Steuerrückzahlung über eine Pro-Kopf-Pauschale erwärmen, auch wenn es gute Argumente gebe, das Geld in Wohngeld, einen höheren Hartz-IV-Satz oder in Investitionen zu stecken. In der nächsten Zeit wollen IG Metall und Umweltverbände ihr Positionspapier in regionalen Veranstaltungen den Mitgliedern vorstellen. An Stoff für Debatten wird es offenbar nicht fehlen.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

Vielen Dank!