AfD-Petzaktion ein Flop

Portale zum Anschwärzen kritischer Lehrer - Niedersachsens Schulbehörde bekam nur drei »Fälle« zum Prüfen

  • Hagen Jung
  • Lesedauer: 3 Min.

Das vor Jahrzehnten aus Westdeutschlands konservativer Ecke heraus gern beschworene Gespenst vom »linken Lehrer«, der sein Revoluzzerdenken aus der 68er-Ära in die Schule einbringt, spukt offenbar noch immer in rechten Hirnen. Wie sonst lässt sich erklären, dass die AfD in mehreren Bundesländern Ende 2018 im Internet Portale platzierte, auf denen Schülerinnen, Schüler und Eltern Lehrerinnen und Lehrer »melden« können, die angeblich gegen ihre Neutralitätspflicht verstoßen. Im Klartext: die sich kritisch mit der Rechtspartei auseinandersetzen.

Womöglich hat die AfD mit der Anschwärz-Initiative auch davon ablenken wollen, dass sie in der realen Schulpolitik, etwa in puncto Lehrermangel und Sanierung maroder Schulgebäude, nichts zu Wege bringt. Wie auch immer: Gebracht hat ihr das Petzportal nichts. Für das Misslingen des Meldeaufrufs sprechen aktuelle Zahlen aus Niedersachsen: Gerade mal drei »Fälle«, weitergeleitet von der AfD, sind in den vergangenen sieben Monaten bei der Landesschulbehörde eingegangen.

Einer konnte bereits zu den Akten gelegt werden. Gegenstand der Beschwerde war ein Plakat, das eine Schüler-Arbeitsgemeinschaft in Lüneburg geschaffen hatte. Darauf protestierten die jungen Menschen gegen Aktionen von »Nazigruppen wie Pegida und Pro-Chemnitz - sowie der AfD«. In dieser Aufschrift trenne der Gedankenstrich die Partei von den anderen Gruppen, heißt es seitens der Behörde - das Neutralitätsgebot sei nicht verletzt worden. Der Aufruf einer Schülervertretung in Hannover zur Anti-AfD-Demo sowie kritische Äußerungen einer Schüler-Theatergruppe aus Osnabrück zu Politikern der Rechtspopulisten - das seien die beiden übrigen »Meldungen«, die noch geprüft werden, so die Behörde.

Drei Meldungen also - von wie vielen? Das will der AfD-Landtagsabgeordnete Harm Rykena, bildungspolitischer Sprecher der Partei, nicht sagen. Er beschränkte sich auf »sehr viele«, berichtet der NDR. Waren es peinlich wenige? Und: Waren unter den angeblich »sehr vielen« Hinweisen auch solche, wie sie in Hamburg an das dortige AfD-Petzportal gesendet wurden? Beispielsweise eine Beschwerde über Lehrer Lämpel, der die Klassenkameraden Max und Moritz schlecht behandele oder die Klage eines Vaters, dass der Mathematiklehrer im Unterricht arabische Ziffern verwendet anstatt keltischer Runen. Hämische Beiträge, die aufzeigen sollten, wie »ernst« der Appell zum Denunzieren genommen werden sollte.

Die Aktion der Rechtspopulisten wird auf der politischen Ebene durchaus ernst genommen: Das verdeutlichten Reaktionen der anderen Landtagsparteien in Hannover, kurz nach dem die AfD ihre Aktion gestartet hatte. Mit ihr orientiere sich die Partei »an Methoden, die wir von den Nazis und ihren Blockwarten kennen«, sagte seinerzeit Niedersachsens SPD-Generalsekretär Alexander Saipa. Sein CDU-Kollege Kai Seefried konstatierte: Die AfD lasse wieder einmal die bürgerliche Maske fallen, und: »Wer heute Lehrer politisch brandmarkt, führt morgen Andersdenkende in Zwangsjacken ab.« Die rechte Partei zeige, dass sie andere Meinungen nicht duldet, warnten die Grünen, und die FDP nannte die Aktion »ein Getöse«.

Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) wertet die Anschwärzaktion so, wie sie viele Menschen empfanden und empfinden: »widerlich«. Wohl auch deshalb ist die Reaktion so schwach. Wie zu erfahren war, auch in anderen Bundesländern. So teilte das Kultusministerium in Sachsen auf nd-Anfrage mit: »Uns ist nicht bekannt, dass es eine Meldung auf dem AfD-Lehrermeldeportal gab.« Nahezu gleichlautend ist die Auskunft der Bremer Schulbehörde.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -