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Auf Stimmenfang beim Fischerfest
Die junge Sozialistin Claudia Sprengel kandidiert für den Landtag
Über den Seddiner See flitzen Modellboote, am Ufer springen Kinder auf Trampolinen, zwischen den Verkaufsständen befinden sich ein paar Buden von Schaustellern, darunter ein Schießstand. In Seddin (Potsdam-Mittelmark) wird das Fischerfest gefeiert. 2,50 Euro kostet ein Fischbrötchen, drei Euro kostet der Eintritt. Claudia Sprengel bezahlt den Eintritt, kauft sich aber kein Fischbrötchen. Als Studentin konnte sie sich kein gutes Biofleisch leisten und hat deswegen lieber ganz auf Fleisch verzichtet, erzählt sie. So sei sie Vegetarierin geworden. Der frische Fisch hat sie also nicht zu diesem Fest gelockt. Sie möchte Stimmen fangen.
Denn die 30-Jährige tritt bei der Landtagswahl am 1. September für die LINKE an - als Direktkandidatin in einem Wahlkreis, der von Bad Belzig im Westen bis nach Michendorf im Osten reicht, also von der Grenze zum Nachbarland Sachsen-Anhalt bis fast nach Berlin. Es ist ein ausgedehnter Wahlkreis in einer ländlichen Region, und Claudia Sprengel hat kein Auto, nicht einmal einen Führerschein. Ihre Termine versucht sie mit Bus und Bahn zu erreichen. Das ist oft gar nicht so einfach. Sie kann sich also gut hineinversetzen in Pendler und Senioren, die zur Arbeit müssen beziehungsweise zum Arzt. Im Landtag würde sie sich für ein besseres Nahverkehrsangebot einsetzen.
Nach dem Geschichtsstudium hatte Sprengel einige Gelegenheitsjobs, bevor sie 2017 als Wahlkreismitarbeiterin der Bundestagsabgeordneten Anke Domscheit-Berg anfing. So gab sie Deutschkurse in einer abgelegenen Flüchtlingsunterkunft, die nur per Rufbus zu erreichen war. Immer einen Tag vorher musste sie den Bus telefonisch bestellen, und wenn sie ihn kurzfristig absagen musste, gab es das nächste Problem, den fehlenden Mobilfunkempfang. Wer einen Unfall hat, kann im Funkloch keinen Rettungswagen alarmieren. Das zeigt, dass die junge Claudia Sprengel mit ihrem Steckenpferd, der Digitalisierung, auch auf dem Lande, wo viele ältere Bürger leben, als Kandidatin keineswegs fehl am Platze ist. Ihre Aussichten, in den Landtag einzuziehen, sind allerdings nicht rosig. Bei der Landtagswahl 2014 landete Astrit Rabinowitsch (LINKE) mit 14,1 Prozent weit abgeschlagen hinter dem damaligen Bildungsminister Günter Baaske (SPD), der den Wahlkreis mit 44,9 Prozent souverän gewann. Inzwischen wechselte Baaske wegen seiner kleinen Kinder in eine weniger stressige Rolle als Hinterbänkler im Landtag. Trotzdem ist er der Favorit im Wahlkreis. Da machte Astrit Rabinowitsch, die selbst 2013/14 nur kurz als Nachrückerin im Landtag gesessen hatte, Claudia Sprengel nichts vor, als sie eine junge Nachfolgerin im Wahlkreis suchte.
Mit Platz 17 auf der Landesliste ihrer Partei wäre Sprengel nur dann sicher im Parlament, wenn die LINKE in Brandenburg noch so stark wäre wie in früheren Jahren. Selbst das Wahlergebnis von 2014, als die LINKE von 27,2 auf 18,6 Prozent abgestürzt war, würde Sprengel noch eine Chance eröffnen. Doch bei der Kommunalwahl am 26. Mai 2019 schaffte die LINKE nur 14,1 Prozent und die Umfragen versprachen der Partei zuletzt für die Landtagswahl selten nennenswert mehr als das.
Allerdings liegen SPD, CDU, AfD, LINKE und Grüne etwa gleichauf. Es könnte in den Wahlkreisen einige Überraschungen geben. Claudia Sprengel versucht unverzagt, nach den Sternen zu greifen. Am 25. Juli diskutiert die Historikerin um 19 Uhr in der Sternwarte Beelitz mit ihrer Chefin, der Bundestagsabgeordneten Domscheit-Berg, über die Zukunft einer digitalen Gesellschaft. »Es macht mir Spaß. Ich mache wirklich gerne Wahlkampf«, versichert Sprengel. Am Freitag hat sie beim Baum&Borke-Musikfestival mit Besuchern gesprochen. Das versucht sie am Sonnabend auf eine ähnlich unaufdringliche Art auch beim Fischerfest in Seddin. Sie schenkt dort Kindern Süßigkeiten. Die Eltern können lesen, was auf ihrer Umhängetasche steht: »Die LINKE.« Vielleicht hilft das ja ein bisschen bei der Wahlentscheidung im September.
Aber auch die SPD wirbt in Seddin um Stimmen. An der Straße vor dem Festgelände hängen Wahlplakate von SPD-Kandidat Baaske. Er hat zwei kletternde Kinder mit ins Bild genommen. »Damit die Kleinen hochkommen Günter Baaske wählen«, lautet die Botschaft. Claudia Sprengel hat keine Kinder. Sie zeigt sich mit ihrem Hund »Gorki«.
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