Staat ohne Antwort

Berichte über rechte Angriffe häufen sich - Kritik an Behörden für unkoordiniertes Vorgehen

  • Sebastian Bähr
  • Lesedauer: 3 Min.

Deutschland erlebt seit 2015 eine Serie rechter Gewalt. Seit einigen Wochen häufen sich die Meldungen über Anschläge, Angriffe und Bedrohungen noch weiter. Der Mordversuch an einem Mann aus Eritrea im hessischen Wächtersbach, ein Anschlag auf die Wohnung einer Zittauer LINKE-Stadträtin, Bombendrohungen gegen die Linksparteizentrale in Berlin und Moscheevereine in München, Duisburg, Mainz, Mannheim und Villingen-Schwenningen, jeweils unterschrieben mit »Combat 18« oder »Blood & Honour«, der Mord an dem CDU-Politiker Walter Lübcke - kaum ein Tag vergeht ohne rechten Terror. Täter fühlen sich offenbar ermutigt, da weder ein gesellschaftlicher Aufschrei noch ein konsequentes Durchgreifen der Behörden gegen Neonazi-Netzwerke sichtbar wird.

Einige Vorfälle kommen erst mit Verzögerung an die Öffentlichkeit: Nachdem zwei mutmaßliche Neonazis Mitte Juli einen 64-Jährigen in einem Regionalzug angegriffen haben, hat am Mittwoch die Kriminalpolizei Würzburg die Ermittlungen übernommen. Der Betroffene hatte die Männer während der Fahrt gebeten, ihre Musik leiser zu machen. Die Täter schlugen ihm mit mehreren Faustschlägen ins Gesicht.

Nach Informationen der »Westfälischen Nachrichten« haben zudem zwei Unbekannte möglicherweise Mitte Juli in Münster einen Brandanschlag auf eine Obdachlosenunterkunft begehen wollen. Demnach hätten sie zuerst die Türen des zuvor als Asylbewerberunterkunft genutzten Gebäudes versperrt. Danach sei einer der beiden mit einem Kanister in der Hand von einem Zeugen gesehen worden. Die erwischten Männer brachen ihre Aktion ab und flohen im Auto. Der DGB-Stadtverbandsvorstand von Münster vermutet einen rassistisch motivierten Brandanschlag, der Polizei fehlten dafür jedoch noch eindeutige Hinweise.

Auch das Bundesinnenministerium spricht nun von einem gestiegenen Risiko durch Namenslisten, die von Rechten über ihre Gegner angelegt werden. »Zunehmend werden Personen des öffentlichen Lebens, Amtspersonen, Bürgerinitiativen und Medieneinrichtungen, aber auch Privatpersonen, die sich kritisch mit dem Rechtsextremismus sowie den handelnden Personen auseinandersetzen, Gegenstand dieses Vorgehens«, sagte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums am Donnerstag.

Die Linkspartei hatte jüngst gefordert, alle Menschen zu informieren, deren Namen 2017 auf einer Liste der rechten Prepper-Gruppe »Nordkreuz« gefunden wurden. Ein Großteil der Daten von rund 25 000 Personen stammt aus dem Hack eines linken Versandhandels. Zwei Terrorverdächtige sollen zusätzlich zu einer dreistelligen Zahl an Personen weitere Daten gesammelt haben. Bei 29 von ihnen wurden Berichten zufolge Informationen ergänzt, die mutmaßlich aus Polizeisystemen stammen.

Eine Gefährdung der von »Nordkreuz« aufgezählten Menschen sei nach Einschätzung des Bundeskriminalamtes dennoch »aktuell auszuschließen«. Die Behörde habe ihre Einschätzungen an die Polizei in den Ländern übermittelt, so das Bundesinnenministerium. Die Länderstellen sollten selbst entscheiden, ob sie die Betroffenen informieren. Nach Recherchen der MDR-Sendung »FAKT« ist der Umgang mit den Listen so auch äußerst unterschiedlich. Betroffene wurden offenbar nur zum Bruchteil informiert, abhängig vom Wohnort. Irene Mihalic von den Grünen kritisierte gegenüber der Sendung dieses Vorgehen: »Es wäre wichtig, dass es eine koordinierende Stelle gibt, an die sich Menschen wenden können, um zu erfahren, ob sie auf einer solchen Liste stehen. Diese Stelle sollte auch Schutzmaßnahmen koordinieren und Betroffene beraten können.«

Auch der LINKE-Landtagsabgeordnete Peter Ritter aus Mecklenburg-Vorpommern hält die Einschätzung der Ermittlungsbehörden für falsch. Am Donnerstag erklärte er in Schwerin: »Angesichts jüngster Ereignisse fällt es nicht nur mir schwer, daran zu glauben, dass es keine Gefährdungsaspekte gibt.«

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