Brexiteers dominieren Kabinett

Der neue britische Regierungschef Boris Johnson umgibt sich mit rechten Hardlinern

  • Ian King, London
  • Lesedauer: 3 Min.

Donald Trump schätzt Boris Johnson, nach dem Grundsatz »Rechte Lügner und Schürzenjäger aller Länder, vereinigt euch«. Ein Drittel der konservativen Mitglieder stimmte gegen den Demagogen, dem auch Egoismus, Faulheit, Ruhmsucht und andere Todsünden nachgesagt werden. Das verbreitet nicht nur die parlamentarische Opposition, sondern auch ehemalige Journalisten-Kollegen, Helfer in der Londoner City Hall sowie Diplomaten des Außenministeriums. So ein Mann bekommt nun auch den Geheimcode für die britischen Atom-U-Boote. Was geht aus Johnsons ersten Ernennungen und Reden hervor?

Als erste Amtshandlung soll sich Johnson auf Kosten der Steuerzahler ein neues Bett für seinen Amtssitz bestellt haben. Denn die von ihm getrennt lebende Frau Marina hat ihn hinausgeworfen. Ob seine 31-jährige Freundin Carrie Symonds gleich mit ihm zusammenzieht, ist nach lautem Streit während Johnsons Wahlkampagne unsicher. Interessanter war aber die erste Ernennung des Neuen: Der frühere Anhänger des EU-Verbleibs, Mark Spencer, soll als Fraktionsgeschäftsführer für Unterhausmehrheiten sorgen und ehemaligen Brexit-Gegnern Gehorsam lehren.

Aber sonst beherrschen stramm rechte Brexiteer das Feld. Sajid Javid, Sohn eines pakistanischen Busfahrers, aber selber Ex-Manager bei der Deutschen Bank wird anstelle von Philip Hammond Finanzminister. Hammond hatte sich mit dem Brexit abgefunden, wollte jedoch von dem »No Deal«, also dem Katastrophen-Austritt, nichts wissen. Javid ist flexibler. Sein Nachfolger als Innenministerin wird Priti Patel, wie Javid mit Einwanderer-Hintergrund, aber wegen eigenmächtiger Geheimdiplomatie zugunsten von Israel von Theresa May in Unehren entlassen.

Der frühere Brexit-Minister und glühende Brexit-Befürworter Dominic Raab übernimmt den Job des Johnson-Gegners Jeremy Hunt als Außenminister. Eine weitere Rechte, Liz Truss, wird Handelsministerin und soll in kürzester Zeit Verträge mit über hundert Staaten abschließen. Denn wenn die Briten aus der EU austreten, werden alle als Mitglied geschlossenen Verträge hinfällig. Die No-Deal-Anhänger fahren den Wagen auf Hochtouren, aber Bremsen besitzt das Fahrzeug nicht und es fährt schnell Richtung Klippe. Dass Johnson den früheren Vote-Leave-Kumpel Dominic Cummings als Berater holt, macht das Gruselbild komplett.

Vor seinem neuen Amtssitz versprach Johnson ein neues Zeitalter des Optimismus und des Patriotismus. Seine Vorgängerin May sei trotz besten Willens mit ihrer Brexit-Politik gescheitert, aber unter seiner Ägide sei der Austritt aus der Europäischen Union zum 31. Oktober beschlossene Sache. Sein Schlagwort vom »globalen Britannien« durfte auch nicht fehlen. Geld für bessere Schulen und mehr Polizisten sei da - auch Steuersenkungen würden sich selbst finanzieren. Wo er den von May und Hammond verleugneten Zauber-Geldbaum entdeckt hat, verriet Johnson nicht. Überhaupt bestand die Antrittsrede, wie das Meiste von Johnson in der Wahlkampagne Geäußerte, vor allem aus Sprechblasen ohne Einzelheiten. Trotzdem wird sie sicher von konservativen Zeitungen hochgejubelt.

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Andere Reaktionen waren weniger freundlich. Oppositionsführer Jeremy Corbyn verlangte Neuwahlen, was angesichts von Labours Umfragetief wie ein Pfeifen im dunklen Wald klingt. Die neue Liberalenchefin Jo Swinson prophezeite Johnson eine kurze Regierungszeit und forderte eine neue Brexit-Volksabstimmung, denn der Premier habe für »No Deal« keine Unterhausmehrheit. Sicher die sauberste Lösung, aber Johnson und sein Kabinett haben allen Grund, sie links liegen zu lassen. Beim Urnengang könnte die Mehrheit der Briten für den EU-Verbleib entscheiden, was den Tories den Garaus machen würde. Auch der andere Trump-Busenfreund Nigel Farage von der Brexit Party steht drohend vor der Tür. Für die meisten Schotten ist Johnson wie das rote Tuch für den Stier, die Abtrennung Schottlands droht ebenfalls.

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