Linkes Bündnis zur rechten Zeit

Vor den Parlamentswahlen setzen Israels Parteien auf Wahlkoalitionen

  • Oliver Eberhardt
  • Lesedauer: 3 Min.

In der israelischen Politik gibt es derzeit nur ein Thema: Bleibt Regierungschef Benjamin Netanjahu nach der Wahl im Amt, oder nicht. Dabei deutet sich im Iran-Konflikt weiterhin keine Lösung an und auch der Konflikt mit den Palästinensern droht jederzeit gewaltsam zu eskalieren. Am Freitag drohte der palästinensische Präsident Mahmud Abbas in Ramallah einmal mehr damit, sämtliche Vereinbarungen mit Israel aufzukündigen.

Während Forscher immer dramatischere Zahlen zu Lebenshaltungskosten und Armutsquoten im Land veröffentlichen, spielt sich in der politischen Landschaft ein Wahlkampf ab, der so unfassbar ermüdend und themenarm ist, dass »man sich schon überlegt, ob man es bis zum Wahltermin schafft, ohne sich zu Tode zu langweilen«, so Ehud Barak, Ex-Premierminister, Ex-Verteidigungsminister, Ex-Generalstabschef und heute Spitzenkandidat der von ihm erst vor einigen Wochen gegründeten »Israelischen Demokratischen Partei« (IDP).

Nun ist diese Neugründung auch schon wieder als eigenständige Kraft Geschichte: Ende vergangener Woche schloss sich die IDP mit der linksliberalen Meretz zu einem Wahlbündnis zusammen. »Demokratische Union« heißt man nun, und hofft, mit explizit linken Positionen zu punkten. Neben dem 77-jährigen Barak, Vollbart-Träger und in den vergangenen Jahren Cannabislobbyist, und Meretz-Chef Nitzan Horowitz, gleichgeschlechtlich verheiratet, LGBT-Aktivist, steht auch die Sozialstaatsaktivistin Stav Schaffir, die während der Proteste 2012 bekannt wurde, auf der Liste.

Damit glaubt man, gleich mehrere Probleme gelöst zu haben: Meretz gilt in weiten Teilen der Öffentlichkeit als elitäre Gruppe gut verdienender Tel Avivi, die zwar viel über die Nöte der Normalbürger reden, aber wenig davon wissen, während Barak Schwierigkeiten hatte, seine Kernthemen abzudecken. Zwar war und ist er in diesem Wahlkampf, dem zweiten innerhalb von nur wenigen Monaten, ein beliebter Interviewpartner, weil er immer ein fetziges Zitat parat hat, vor allem Regierungschef Benjamin Netanjahu, seine rechte Politik, seine Korruptionsaffären, frontal angreift, und sich auch nicht scheut, eigene Fehler einzugestehen. So entschuldigte er sich in der vergangenen Woche für einen Polizeieinsatz gegen arabische Demonstranten, bei dem im Oktober 2000 13 Menschen getötet wurden - Meretz hatte das zur Bedingung für den Zusammenschluss gemacht. Schon zuvor hatte Barak erklärt, die Zeit sei reif für eine Regierungsbeteiligung der arabischen Chadasch, eine sozialistische Partei. Doch beim Sozialstaat, bei den Rechten gleichgeschlechtlicher Paare, fehlten die Kandidat*innen, die diese Themen den Wähler*innen glaubhaft vermitteln können.

Doch solche Bündnisse dienen noch einem weiteren Zweck: Sie lassen mehrere kleine Parteien groß aussehen und verhindern ein Scheitern an der 3,25-Prozenthürde. Und am Wahlabend beansprucht in aller Regel der/die Spitzenkandidat*in der Liste mit den meisten Sitzen das Recht auf Regierungsbildung, während die anderen Listen in den Koalitionsverhandlungen mehr Gewicht erlangen. So haben sich beispielsweise schon vor Monaten Netanjahus Likud und die kleine Kulanu zusammen geschlossen. Ziel war es, statt einmal 35 (Likud) und einmal vier (Kulanu) Sitze am Wahlabend ein Ergebnis von 39 Sitzen präsentieren zu können. Aus dem gleichen Grund verhandeln auch die rechtsextremen Parteien über einen Zusammenschluss, der aber bislang an erheblichen ideologischen Differenzen scheitert. Bei der Forderung nach einer Annexion des Westjordanlandes ist man sich einig, und auch darin, dass Netanjahu an der Macht bleiben soll. Streit herrscht aber vor allem beim Verhältnis von Staat und Religion.

Zumindest für den Likud scheint die Hoffnung auf möglichst viele Sitze nicht aufzugehen; statt der kombinierten 39 Sitze dümpelt man in den Umfragen derzeit bei 29 Sitzen. Eine Neuauflage der bisherigen ultra-rechten Koalition scheint derzeit unwahrscheinlich.

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