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In Deutschland unerwünscht

Nach langer Auseinandersetzung mit dem bundesrepublikanischen Asylsystem ist Asif N. freiwillig nach Afghanistan zurückgekehrt

  • Peter Nowak
  • Lesedauer: 3 Min.

Eigentlich ist die freiwillige Rückreise von Geflüchteten aus Deutschland in ihre Heimatländer Alltag. Doch die Meldung, dass der 22-jährige Asif N. schon vor knapp zwei Monaten in seine afghanische Heimat zurückgekehrt ist, wurde jetzt von vielen Zeitungen aufgegriffen. Denn der junge Mann stand am 31. Mai 2017 unfreiwillig im Fokus der Öffentlichkeit. An jenem Tag sollte er in das Land abgeschoben werden, das er als 13-Jähriger auf der Flucht vor den Taliban verlassen hatte.

Nach einer mehrjährigen Odyssee durch Iran, die Türkei und Griechenland kam N. im Dezember 2012 in Passau an, wurde festgenommen und landete in der Zentralen Aufnahmeeinrichtung für Asylbewerber in Zirndorf. Von dort kam er als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling in das Kinder- und Jugendhaus Stapf in Nürnberg. 2013 wurde sein Asylantrag abgelehnt. Er erhielt einen Duldungsstatus, der 2017 aufgehoben wurde.

Doch solidarische Menschen verhinderten vor zwei Jahren seine Abschiebung mit einer Blockade. An der Aktion hatten sich neben außerparlamentarischen Linken auch viele Mitschüler*innen von Asif N. eine Nürnberger Berufsschule beteiligt. Die Polizei ging mit Gummiknüppeln und Pfefferspray gegen die Protestierenden vor. Im Anschluss wurden einige der Beteiligten zu Geldstrafen verurteilt, so auch N. selbst, der 100 Arbeitsstunden ableisten musste, weil er sich gegen seine Abschiebung gewehrt habe. Rechte Medien hetzten weiter gegen ihn. Ende vergangener Woche berichteten mehrere Medien über Asifs Ausreise im Juni. Die Kommentarfunktion der »Nürnberger Nachrichten« musste anschließend wegen zahlreicher rassistischer Äußerungen gesperrt werden.

»Wir haben Asifs Ausreise auch deswegen geheim gehalten, weil potenzielle Entführer sonst seinen Aufenthaltsort kennen. Wie das Hotel in Kabul, in dem er vor zwei Monaten nach seinem stundenlangen Flug unterkam. Das gleiche Hotel, in dem sich ein 23-jähriger Geflüchteter nach seiner Abschiebung aus Deutschland vor knapp einem Jahr erhängt hatte«, schreibt der Schriftsteller Leonhard F. Seidl in der »taz«. Der Vorsitzende des Verbands der Schriftstellerinnen und Schriftsteller Mittelfranken gehörte vor zwei Jahren zu den Menschen, die Asifs Abschiebung verhinderten. Er geriet deshalb ins Visier der Polizei.

Noch vor einem Jahr hatte Asif N. gegenüber Lokalmedien die Hoffnung geäußert, dass sein Asylfolgeantrag Erfolg hat und er in Deutschland seine Schreinerlehre fortsetzen kann. »Ich möchte endlich etwas Sinnvolles tun«, erklärte er. Ein Jahr später hat er die Hoffnung auf eine Zukunft in Deutschland aufgegeben. »In Afghanistan stirbt man nur einmal. Weißt du, in Deutschland stirbt man jeden Tag«, habe Asif N. ihm unmittelbar vor seiner Abreise gesagt, schreibt Seidl in der »taz«. CSU-Innenminister Horst Seehofer und rechte Blogger*innen können feiern: Einem jungen Mann, der hier integriert war, Deutsch gelernt und hoch motiviert seine berufliche Zukunft in der Bundesrepublik plante, wurde klargemacht, dass er nicht erwünscht ist.

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