- Brandenburg
- Klimaschutz
Mit Windenergie fliegen
Technische Universität Cottbus forscht an klimaneutralem Kraftstoff für Passagiermaschinen
In 20 Jahren wird es möglich sein, ohne CO2-Ausstoß in den Urlaub zu fliegen. Professor Georg Möhlenkamp von der Brandenburgisch Technischen Universität (BTU) Cottbus-Senftenberg ist da zuversichtlich. Er bezeichnet sich als »überzeugten Klimajünger« und sagt: »Sonst hätten unsere Kinder keine Zukunft mehr. Aber da ich Kinder habe und bald Opa werde, möchte ich das nicht.«
Der Professor leistet seinen Beitrag bei der Entwicklung einer technischen Lösung für den klimaneutralen Flugbetrieb. Theoretisch ist schon alles klar. Mit dem Strom aus Windkraftanlagen lässt sich Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff trennen. Mit Wasserstoff können Autos und Busse fahren. Aber es geht ja um die Flugzeuge. Also weiter: Aus Wasserstoff und CO2 lässt sich Methan herstellen. Dieses Gas sei beinahe wie Erdgas, erläutert Möhlenkamp. Es könnte ins Erdgasnetz eingespeist werden und zum Heizen von Wohnungen verwendet werden. Aber damit wäre das Ziel immer noch nicht erreicht. Wie nun weiter? Aus Methan lässt sich Methanol machen und das ist wie der Flugzeugtreibstoff Kerosin. Damit können große Passagiermaschinen fliegen.
Praktisch klemmt es aber beim Wirkungsgrad der notwendigen Anlagen. Sie verbrauchen gegenwärtig derart viel Strom, dass sich das Verfahren nicht rechnet. Die Produktion eines neuen Flugzeugtreibstoffs mit Hilfe von Windenergie steckt also noch in den Kinderschuhen. Doch die BTU, der Triebwerkshersteller Rolls Royce und die Fluggesellschaft Lufthansa wollen sich zusammentun und das Projekt voranbringen. Der Wirkungsgrad der Anlagen soll so verbessert werden, dass Methanol als Flugzeugkraftstoff auf dem Markt eine Chance gegen das klassische Kerosin erhält.
Dazu wurde am Freitag im Senatssaal der Universität in Cottbus eine Absichtserklärung unterzeichnet. Mit im Boot sind neben BTU, Rolls Royce und Lufthansa unter anderem auch das Deutsche Zentrum, für Luft- und Raumfahrt, das Land Brandenburg und der Chemiekonzern BASF, der an seinem Standort Schwarzheide über historische Erfahrungen mit synthetischen Kraftstoffen verfügt. Als die deutschen Faschisten zum Ende des Zweiten Weltkriegs hin keinen Zugriff mehr auf die rumänischen Erdölfelder hatten und ihnen das Benzin für Panzer und Lastwagen auszugehen drohte, erzeugten sie in Schwarzheide synthetischen Kraftstoff aus Braunkohle.
In der Lausitz will das Bundesumweltministerium sowieso ein »Kompetenzzentrum Klimaschutz in energieintensiven Industrien« ansiedeln. Damit verbunden ist eine Demonstrationsanlage für Kraftstoffe, wie sie Professor Möhlenkamp und seine Kollegen in Wissenschaft und Industrie im Auge haben.
Da die BTU in Cottbus bereits 2012 ein Wasserstoff-Forschungszentrum gebaut hat, ist sie bei der Entwicklung der Zukunftstechnologie vorn mit dabei, sagt Möhlenkamp. Dass sei ein Grund für die Entscheidung gewesen, das Kompetenzzentrum hier anzusiedeln, sagt Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD). »Es geht um das Gelingen der Energiewende und den Klimaschutz«, ergänzt Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD). In dem containerartigen Gebäude steht ein alkalischer Druckelektrolyseur, mit dem durch Strom Wasser in seine Bestandteile zerlegt wird. Der Wasserstoff sammelt sich in einem hohen, runden Tank neben dem Containerklotz.
»Niemand von uns will aufs Fliegen verzichten«, meint Professor Möhlenkamp. »Also muss man den Kraftstoff CO2-frei erzeugen. Es gibt keine andere Lösung.« Kleine Flugzeuge können zwar auch hybridelektrisch angetrieben werden, doch für große Passagiermaschinen sei dies nicht machbar. Der Professor erläutert, dass drei Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes auf den Flugverkehr entfallen. Dies höre sich wenig an, weiß er. Doch da das CO2 von den Maschinen in großer Höhe ausgestoßen werde, zähle es doppelt, sei also für die Klimaerwärmung in einem Umfang verantwortlich, als wären es sechs Prozent. Darum müsse man sich etwas einfallen lassen.
Andreas Schell, Vorstandschef bei Rolls Royce Power Systems, beschreibt die Zukunft so: »Wir elektrifizieren das Gesamtsystem für Antrieb und Energie inklusive des Kraftstoffs, indem wir ihn mit erneuerbarer Energie klimaneutral herstellen.«
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.