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Wahlkampf in Familie
Felix Thier (LINKE) bemüht sich im roten Luckenwalde um ein Landtagsmandat
Vor und neben dem Rathaus von Luckenwalde hängt SPD-Generalsekretär Erik Stohn herum. Nah am Briefwahllokal platziert sind seine Plakate für die Brandenburger Landtagswahl. Sein Mitbewerber Felix Thier (LINKE) ist am Dienstagmorgen ab 9 Uhr persönlich dort, begrüßt Passanten und Kunden der Marktstände. Manche kennen ihn von seinen Plakaten. Weiter hinten auf dem Boulevard hängt eins davon. »Jetzt haben Sie mich auch einmal live gesehen«, sagt der 33-Jährige dann.
Es geht darum, am 1. September den hiesigen Wahlkreis 24 zu gewinnen, zu dem neben Luckenwalde auch noch die Stadt Jüterbog, die Gemeinde Niedergörsdorf und das Amt Dahme/Mark gehören. Erik Stohn hat hier bei der Landtagswahl 2014 das Direktmandat geholt. 2004 und 2009 schaffte das Kornelia Wehlan (LINKE), die seit 2013 Landrätin in Teltow-Fläming ist.
Luckenwalde gilt als rote Stadt. Hier erzielen SPD und LINKE überdurchschnittliche Ergebnisse. Deswegen dürfte in dem Ringen um den Sieg der Kandidat Felix Menzel (CDU) keine Rolle spielen, obwohl er doch Freistilringer ist und in dieser Sportart 2006 sogar Junioren-Europameister war.
Sozialist Felix Thier schätzt ein, dass es sich zwischen ihm selbst und den Landtagsabgeordneten Erik Stohn (SPD) und Birgit Bessin (AfD) entscheiden wird. Stohn und Bessin sind mit den Plätzen drei beziehungsweise vier auf den Landeslisten ihrer Parteien abgesichert. Sie werden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wieder ins Parlament einziehen. Dagegen ist der Listenplatz 34 von Felix Thier aussichtslos. Für ihn gibt es nur eine Chance: Er muss den Wahlkreis gewinnen. Seine Aussichten sind gar nicht mal so schlecht. 44 Landtagswahlkreise gibt es in Brandenburg. Der von Felix Thier ist einer von vier bis sieben Wahlkreisen, in denen die LINKE am 1. September die Nase vorn haben könnte.
Zwar ist die LINKE noch etwas abgerutscht, aber nicht so sehr eingebrochen wie die SPD. Das eröffnet rechnerisch eine Möglichkeit. Doch darauf gibt Felix Thier nicht allzu viel. Gegen Erik Stohn und Birgit Bessin wird es schwer. Das weiß er. Aber: »Ich habe mich bewusst entschieden anzutreten. Wenn ich das mache, dann will ich auch gewinnen.« Am Markt läuft es am Mittwoch, denn der Kandidat Felix Thier läuft - immer einige Schritte den Fußgängern entgegen, die sich seinem Infostand nähern. Auf die Menschen zugehen, das ist ihm wichtig. »Denken Sie an die Landtagswahl«, bittet er.
Ein älterer Herr bleibt stehen und bedauert: »Wir haben schon so oft gewählt. Aber egal, wer rangekommen ist, es ist nie etwas Vernünftiges dabei herausgekommen.« Von Felix Thier will er wissen, woran das liegt. Der 33-Jährige reagiert erst einmal mit einem gewinnenden Lächeln. »Mich haben Sie noch nie gewählt. Ich bin der Neue«, sagt er. Dann erklärt Felix Thier, dass die LINKE noch nie die absolute Mehrheit bekommen habe und in der Koalition mit der SPD Kompromisse machen musste. Weiter argumentieren muss er gar nicht. Der ältere Herr schmunzelt und klopft ihm aufmunternd auf die Schulter. »Naja, hast mich schon überzeugt«, verrät er. Nur die Frage wollte der Mann bei der Gelegenheit noch einmal loswerden.
Das ist an diesem Montagmorgen kein Einzelfall. Viele Bürger zeigen sich aufgeschlossen und nehmen das Werbematerial mit. Einige winken mit der Bemerkung ab, dass sie bereits per Briefwahl abgestimmt und die LINKE angekreuzt haben. So ausgezeichnet läuft der Straßenwahlkampf für die Partei derzeit nur an wenigen Stellen in Brandenburg. SPD, CDU und LINKE - sie waren fast 30 Jahre lang die drei großen Kräfte im Bundesland - müssen sich auf Verluste bei der Landtagswahl einstellen. Die Grünen sind in den Umfragen der Meinungsforschungsinstitute zu ihnen aufgerückt, die AfD ist sogar knapp an ihnen vorbeigezogen.
Hier draußen in Luckenwalde, etwas weiter weg von Berlin, spielt nun auch der Klimawandel eine Rolle im Wahlkampf. »Die Menschen sehen ja, dass die Bäume absterben und das Getreide auf dem Acker verdorrt«, erzählt Felix Thier, der Forstwirschaft und Naturschutz studiert hat. Doch die Vorstellung, zum Beispiel einfach die Kohlekraftwerke abzuschalten, ohne die soziale Komponente zu beachten, das komme hier nicht gut an. Darum gehöre Luckenwalde nicht zu den Gegenden, wo die Bäume der Grünen jetzt bereits in den Himmel wachsen.
Überhaupt das Soziale. Bezahlbare Wohnungen werden nun auch in Luckenwalde langsam knapp. Die Zugverbindung nach Berlin ist für Berufspendler annehmbar. Aber es sind nicht unbedingt allein diese Pendler, die sich etwas in Luckenwalde suchen. Denn sie lassen sich eher in Ludwigsfelde nieder, das näher an der Hauptstadt liegt - und aus Ludwigsfelde werden dann Mieter nach Luckenwalde verdrängt, sagt Felix Thier. Und sonst? Kitas sind da. Die Gebäude stehen, aber das Personal fehlt. Auch der Lehrermangel macht sich bemerkbar.
Da kann der Lehrer auch nicht mehr helfen, der neben Felix Thier als Wahlkampfhelfer mit am Infostand steht. Er ist 65 Jahre alt und nun im Ruhestand. Es ist Manfred Thier - der Vater des Landtagskandidaten.
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