Wahlkampf mit König und Quertreiber

Während Sachsens CDU auf einen Biedenkopf-Effekt hofft, treibt ein Prominenter der Partei sein eigenes Spiel

  • Hendrik Lasch, Leipzig
  • Lesedauer: 4 Min.

Ingrid Biedenkopf fragt aus der ersten Reihe unsicher nach. Hat er wirklich »Täuschungsveranstaltung« gesagt? Ja, beharrt ihr Gatte Kurt leicht ungehalten: Die AfD sei eine »Täuschungsveranstaltung«. Wer die 70 Seiten ihres Programms studiere, finde »abenteuerliche Sachen«, fügt der einstige sächsische Ministerpräsident hinzu. Und den Klimawandel »leugnen sie nur«, sagt er. »Damit sind sie außen vor.« Seine Partei müsse »aufpassen, dass sie ihre Kraft nicht verschwendet an Dinge wie die AfD«.

Es ist Wahlkampf in Sachsen, und die CDU hofft auf ein wenig Glanz aus früheren Tagen. Zwei Wochen vor der Landtagswahl schickt sie ihren einstigen Star in die Schlacht: Kurt Biedenkopf, mit dem sie zwischen 1990 und 1999 dreimal die absolute Mehrheit im Landtag gewann. Als »kleiner König« wurde er dafür gefeiert. 2002 dankte er nach einer unappetitlichen Affäre ab, seit 2004 muss die CDU die Macht teilen. Nun könnte es noch ärger kommen: Zum dritten Mal nach der Bundestagswahl 2017 und der Europawahl vom Mai droht sie nur Zweiter hinter der AfD zu werden.

Um das zu verhindern, wird jeder Joker gezogen. Und so greift Biedenkopf erstmals seit seinem Rückzug in einen Wahlkampf ein. Sein Verhältnis zu den beiden Nachfolgern Georg Milbradt und Stanislaw Tillich galt als frostig; dem jetzigen Spitzenmann Michael Kretschmer aber will er den Rücken stärken. Es sei eine »rettende Entscheidung« gewesen, dass dieser vor 18 Monaten nach Tillichs Abgang »in die Bresche gesprungen« sei. Das Risiko sei groß, es könne auch »schiefgehen«.

Damit das nicht passiert, tut Biedenkopf, inzwischen 89 Jahre alt, was er kann: keine Reden auf Marktplätzen, aber immerhin drei Auftritte bei Gesprächsrunden mit CDU-Generalsekretär Alexander Dierks und örtlichen Kandidaten. An diesem Montagabend sitzt er in Leipzig in einer Kneipe neben der Radrennbahn. Sie liegt in einem Wahlkreis, den die CDU an LINKE-Stadtchef Adam Bednarsky zu verlieren droht. Rund 50 Interessierte sind gekommen, nicht alle sind der CDU freundlich gesonnen. Einer ereifert sich über die Verschwendung von Steuergeld für die Integration von »Kulturfremden«, ein anderer fragt in provokantem Ton, ob Angela Merkels Satz »Wir schaffen das!« nicht Mitschuld an der Misere der CDU trage. Biedenkopf wird grundsätzlich. Die Aufnahme der Flüchtlinge 2015 sei moralisch geboten gewesen. Vorzuwerfen sei Merkel allenfalls, dass sie, wie beim Ausstieg aus der Kernkraft, die Entscheidung nicht erklärt habe. Viele in der CDU sehen das freilich anders; im sächsischen Wahlkampf spielt Merkel keine Rolle.

Dafür übernimmt ein anderer eine Rolle, die Sachsens CDU-Führung alles andere als gelegen kommen kann. Hans-Georg Maaßen, Ex-Chef des Bundesamts für Verfassungsschutz und nun Idol der rechtskonservativen Werte-Union, tritt am Donnerstag zum vierten Mal im Wahlkampf auf, diesmal auf Einladung eines Abgeordneten aus Plauen. Zuvor war er etwa bei Landtagspräsident Matthias Rößler (CDU) zu Gast gewesen. Der Auftritt in Radebeul geriet zum Heimspiel für die AfD, zu der Maaßen eher halbherzig auf Abstand geht: Eine Koalition, wie sie Kretschmer vehement ausschließt, hält er nur für verfrüht. Zugleich macht er Stimmung gegen die Grünen, die für eine Regierung ohne AfD in Sachsen gebraucht würden. Zuletzt hatte er in einem Interview der sächsischen CDU zudem geraten, sich stärker von der Bundespartei abzugrenzen.

Nicht nur Maaßens Auftritte zeigen, dass die Reihen der CDU alles andere als geschlossen sind. Rößler etwa erwies sich nun erneut als Quertreiber. Der Befürworter einer Minderheitsregierung von CDU und FDP hat mit deren Spitzenkandidat Holger Zastrow offenbar vereinbart, dass die Liberalen ihn als Direktkandidaten unterstützen. Im Gegenzug gebe es, wie Rößler auf Facebook schreibt, eine »FDP-Zweitstimmenkampagne«. Weil ihm nicht der gewünschte vordere Platz zugesichert worden war, hatte Rößler ganz auf eine Absicherung über die Liste verzichtet und muss nun den Wahlkreis Meißen 4 gewinnen, um zum siebten Mal in den Landtag zu kommen. Mit einem möglichen Verzicht auf Zweitstimmen zugunsten der FDP unterläuft er freilich das auf den aktuellen Plakaten noch einmal bekräftigte Ziel der CDU, stärkste Kraft im Land zu werden.

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