- Berlin
- Lütke Daldrup und Sebastian Czaja
BER-Ausschuss hat wohl ein Leck
Angebliche Weitergabe von Unterlagen belastet Arbeit des Untersuchungsausschusses
Ein bizarrer Streit um ehrrührige Äußerungen, den BER-Chef Engelbert Lütke Daldrup und der Berliner FDP-Fraktionsvorsitzende Sebastian Czaja derzeit vor Gericht austragen, wird zur Belastung für die Arbeit des vom im Berliner-Abgeordnetenhaus eingesetzten Flughafenuntersuchungsausschusses »BER II«. Diese Auseinandersetzung lenkt nach Einschätzung der Mehrheit der im Ausschuss vertretenen Parteienvertreter von dessen eigentlichem Untersuchungsauftrag ab - der »Aufklärung der Ursachen, Konsequenzen und Verantwortung für die Kosten- und Terminüberschreitungen des im Bau befindlichen Flughafens«.
Auf seiner turnusmäßigen Sitzung am vergangenen Freitag sah sich das parlamentarische Gremium nun veranlasst, auf Vorwürfe zu reagieren, denen zufolge in dem Gerichtsverfahren vertrauliche Unterlagen des Ausschusses weitergereicht worden seien. Das hatte am Vorabend die rbb-Abendschau unter Berufung auf Informationen aus der Flughafengesellschaft Berlin-Brandenburg berichtet. Auf einer Pressekonferenz am Freitagnachmittag hatte SPD-Obmann Jörg Stroedter allerdings davor gewarnt, »diese Auseinandersetzung öffentlich zu führen«.
Hintergrund: Im April hatte Czaja den Flughafen-Chef wegen Zweifeln an dessen Aussagen zum Baufortschritt am BER einen »notorischen Lügner« genannt. Das hatte Lütke Daldrup nicht auf sich sitzenlassen, zumal Sebastian Czaja als FDP-Obmann im Untersuchungsausschuss stets den Eröffnungstermin sowie Kapazität und Funktionssicherheit des neuen Flughafens in Zweifel gezogen und die Offenhaltung von Tegel gefordert hat. Als der FDP-Mann auf die Forderung nach einer Unterlassungserklärung nicht reagierte, hatte er Czaja vor der Pressekammer des Hamburger Landgerichts unter dem Vorwurf der unwahren Tatsachenbehauptung und Beleidigung verklagt.
Der rbb hatte nun am Donnerstagabend berichtet, dass die Flughafengesellschaft weitere schwere Vorwürfe erhebe. Das gehe aus entsprechenden Unterlagen hervor, die dem Sender vorlägen. »So schreibt die Anwältin der Flughafengesellschaft, Mitglieder des BER-Untersuchungsausschusses hätten vertrauliche Protokolle und Unterlagen an Unbefugte weitergegeben. In dem Zusammenhang nennt die Anwältin Sebastian Czaja, der in dem Ausschuss sitzt«, heißt es in einer schriftlichen Information. Dessen Anwalt habe im Hamburger Prozess mitgeteilt, im Besitz solcher internen Unterlagen zu sein. Das sei ein Verstoß gegen Vertraulichkeitsvorschriften.
FDP-Fraktionschef Sebastian Czaja verwahre sich gegen die Vorwürfe, sie entbehrten jeder Grundlage, hieß es beim rbb. Keinesfalls lägen seinem Anwalt vertrauliche Unterlagen vor, habe er dem Ausschussbüro mitgeteilt. Die Ausschussvorsitzende Melanie Kühnemann-Grunow (SPD) habe konstatiert, dass sich die Vorwürfe der Flughafengesellschaft zum jetzigen Zeitpunkt nicht bestätigen ließen.
Auf Nachfrage des »nd« wollte sich Flughafensprecher Hannes Stefan Hönemann mit Rücksicht auf das laufende Verfahren zu den neu aufgetauchten Vorwürfen nicht äußern.
Die Ausschussvorsitzende Kühnemann-Grunow erklärte vor der Presse, der Vorwurf der Weitergabe vertraulicher Unterlagen lasse »sich so im Moment nicht aufklären«. Es sei in der Tat so, dass es einen umfangreichen Schriftwechsel gebe, der den Obmännern vertraulich ausgehändigt worden sei. »Dieser Schriftwechsel ist der Öffentlichkeit bekannt geworden«, sagte sie. »Da ist momentan nicht nachvollziehbar, durch wen das passiert ist.« Sie selbst mahne in ihrer Funktion als Ausschussvorsitzende permanent die Vertraulichkeit an. Es habe bereits wiederholt Hinweise darauf gegeben, dass die Vertraulichkeit im Ausschuss nicht eingehalten wurde. »Dem sind wir in jedem einzelnen Fall nachgegangen. Im aktuellen Fall steht zunächst einmal Aussage gegen Aussage«, so Kühnemann-Grunow. Sie kündigte an, dass der Ausschuss zunächst intern über den Vorgang beraten werde.
Der CDU-Abgeordnete Christian Gräff (CDU) missbilligte ausdrücklich, dass »offensichtlich vertrauliche Dokumente, die uns letzte Woche übergeben wurden, an die Presse gelangt sind, die auch Persönlichkeitsrechte betreffen«.
Darauf verwies auch Carsten Schatz (LINKE). »Sicherung von Vertraulichkeit ist für Untersuchungsausschüsse aller Art ein hohes Gut«, betonte er. Es gehe dabei um den Schutz von Zeugen, um die Aussagebereitschaft »von Leuten, die uns Unterlagen zur Verfügung stellen«. Allerdings wiege der damit gegenüber dem Ausschuss erhobene Vorwurf schwer. »Ich finde, wir alle müssen ein Interesse daran haben, da Klarheit zu schaffen und das nicht irgendwie in parteipolitisches Gezänk zu zerren«, sagte er.
Sebastian Czaja selbst schloss sich der Stellungnahme der Ausschussvorsitzenden an. Ihn betreffend stehe eine Behauptung im Raum, die bisher nicht belegt sei. Auf Nachfrage des »nd« fügte er hinzu: »Ich bleibe dabei, dass ich das als einen Nebenschauplatz empfinde, der dort eröffnet wurde - aus welcher Motivation heraus auch immer.« Ihm geht es um die Eröffnungsperspektiven für den BER und die Offenthaltung von Tegel. Darauf sollte sich der Ausschuss politisch konzentrieren.
In öffentlicher Sitzung hatte der BER-Untersuchungsausschuss am Freitag die Beweiserhebung fortgesetzt. Dabei wurden Dirk Meinecke, bei seinem Ausscheiden im Juni 2019 für den Bereich »Technische Gebäudeausrüstung - Mechanik« auf der Flughafenbaustelle zuständig, sowie Carsten von Damm, befragt. Er war bereits 2015 in seiner Funktion als Leiter Rechnungs- und Nachtragsprüfung befragt worden.
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