Die SPD sondiert und sortiert

Ministerpräsident Woidke betont notwendige Verlässlichkeit eines Koalitionspartners

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 5 Min.

Zwei Tage nach der Landtagswahl sind bezogen auf die kommende Regierung in Brandenburg eine Reihe von Vorentscheidungen gefallen. Einiges spricht dafür, dass die SPD künftig mit der CDU und den Grünen koaliert. Sicher ist das allerdings nicht. Nach einer Sitzung des SPD-Landesvorstands mochte der Landeschef Dietmar Woidke, der auch Ministerpräsident ist, die Einbeziehung der LINKEN nicht ausdrücklich ausschließen. Generalsekretär Erik Stohn verkündete, man werde »entsprechend der Stärke beim Wahlergebnis« mit den potenziellen Partnern in Vorverhandlungen über eine künftigen Regierung treten, ausgenommen einzig die AfD.

Zunächst finden Vorgespräche mit der CDU statt, die bei der Landtagswahl am 1. September 15,5 Prozent erzielt hatte. Generalsekretär Stohn sprach aber auch von der »alten Verbundenheit« mit der Linkspartei, die immerhin zehn Jahre lang verlässlicher Regierungspartner der SPD war. Deshalb werde sie die Nummer zwei bei der beginnenden Sondierung sein.

Die LINKE hat eine Einladung für den Donnerstag erhalten. Nach Auskunft von Landesgeschäftsführer Stefan Wollenberg sollte der Landesvorstand am Dienstagabend darüber entscheiden, ob diese Einladung angenommen wird.

Es ist nach derzeitigem Stand damit zu rechnen, dass die LINKE sich mit der SPD unterhalten wird. Das zumindest wollten die Landesvorsitzenden Anja Mayer und Diana Golze dem Vorstand vorschlagen. »Nach bisherigen Gesprächen mit Mitgliedern halte ich es nicht für ausgeschlossen«, sagte Mayer vor der Sitzung. Sie selbst votiere dafür.

Da eine neue Landesregierung in Brandenburg mindestens drei Partner benötigt, um im Landtag eine Mehrheit der Mandate zu haben, sind als dritter Gesprächspartner der SPD die Grünen dran, die 10,8 Prozent erhalten haben und damit 0,1 Prozentpunkte mehr als die LINKE.

Rot-Rot-Grün eher unwahrscheinlich

Die Wahrscheinlichkeit, dass sich Woidke für ein rot-rot-grünes Bündnis entscheidet, ist nach den ersten Äußerungen nicht sehr groß, weil diese Variante nur eine Stimme Mehrheit im Parlament hätte. Bei den Abstimmungen zum umstrittenen neuen Polizeigesetz hatten beispielsweise kurz vor der Landtagswahl nicht alle Sozialisten zugestimmt. Die junge Abgeordnete Isabelle Vandré, die zu diesen Abweichlern gehörte, sitzt wieder in der Linksfraktion. Darauf angesprochen sagte Ministerpräsident Woidke, zuallererst komme es bei einer Regierungsbildung auf Verlässlichkeit aller Partner an.

Unendlich groß kann seine Lust, mit der CDU zusammenzuarbeiten, aber auch nicht sein. Hatte CDU-Landeschef und Spitzenkandidat Ingo Senftleben doch im Juni verkündet, er werde nicht mit einem Ministerpräsidenten zusammenzuarbeiten, der Dietmar Woidke heißt. Das hat der glücklose CDU-Politiker am Wahlabend schon wieder halb zurückgenommen. Auch sein Generalsekretär Steven Bretz wiegelte angesichts des Ausgangs der Landtagswahl bereits ab.

Während LINKE und SPD den Rückgang der Zustimmung immer noch damit begründen können, dass man sich in der Regierungsarbeit nicht nur Freunde macht, hat der erfolglose Senftleben diese Ausrede nicht. Auf die Frage, ob sich Senftleben einem Druck aus der Basis beugen und zurücktreten werde, sagte Bretz, es gebe zweifellos Diskussionsbedarf, die Frage nach der persönlichen Verantwortung stelle sich allen Beteiligten. An der CDU-Basis werden Rücktrittsforderungen laut. Erste diesbezügliche Angriffe hat Senftleben zwar überstanden. Doch am Dienstag brach eine offene Revolte in der Landtagsfraktion aus.

CDU könnte sich zerlegen

SPD-Fraktionschef Mike Bischoff lehnte eine Bewertung dieses Vorgangs ab und verwies darauf, dass Senftleben im Landesvorstand ein deutliches Mandat für Verhandlungen erhalten habe. Bischoff sagte nun aber auch, wenn eine Regierung gebildet werde, könne das unter bestimmten Voraussetzungen »auch mit knapper Mehrheit geschehen«.

Unter diesem Blickwinkel ist auch zu betrachten, ob eine rot-rot-grüne Koalition mehr Stabilität verspricht als eine mit einer CDU, die sich eventuell demnächst zerlegt. Tradition hätte dies im Landesverband Brandenburg.

Während der SPD-Landesvorstand am Montag die Kontaktaufnahme mit CDU, LINKE und Grünen einstimmig beschlossen hatte, war lediglich »eine Mehrheit« dafür, auch mit den Freien Wählern zu sondieren, informierte Woidke. An deren Zuverlässigkeit bestünden Zweifel. Er selbst habe aber dafür gestimmt, auch mit den Freien Wählern mögliche Gemeinsamkeiten auszuloten. Mit exakt fünf Prozent der Stimmen sind die Freien Wähler jetzt in Fraktionsstärke im Landtag vertreten. Auf die Frage, warum er ein solches Tempo an den Tag lege und den politischen Kalender schon fülle, bevor sich die Fraktionen überhaupt konstituiert haben, sagte Woidke, die Landesverfassung lasse für die Regierungsbildung nicht unendlich viel Zeit. Bis Weihnachten müsse der Ministerpräsident gewählt sein, sonst seien Neuwahlen zwingend. Da er schwierige Verhandlungen erwarte, sei es besser, zeitig zu beginnen.

In einer »unheimlichen Aufholjagd«, wie Generalsekretär Stohn sagte, war es der SPD gelungen, die AfD noch zu überholen und mit 26,2 Prozent erneut stärkste Partei in Brandenburg zu werden.

Die SPD hat Anspruch auf 25 Mandate, und sie hat 25 Wahlkreise gewonnen. Die Landesliste zieht nicht, da die Direktkandidaten Vorrang haben. Im Ergebnis ist Landtagspräsidentin Britta Stark (SPD), die ihren Wahlkreis an Péter Vida von den Freien Wählern verlor, nicht mehr im Parlament vertreten, obwohl sie auf Platz zwei der Landesliste stand. Nicht geschafft haben es bei der SPD außerdem Kulturministerin Martina Münch und Klara Geywitz, die sich im Duo mit Bundesfinanzminister Olaf Scholz um den SPD-Parteivorsitz bemüht.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.