Nicht wegducken

Gegen rechte Machtdemonstration hilft praktische Solidarität

  • Susanne Beer, Fatma Kar und Claudia Krieg vom Polylux Netzwerk
  • Lesedauer: 6 Min.

Die Wahlergebnisse kamen nicht überraschend. Wir haben nicht geglaubt, die Rechte aufhalten zu können. Die rassistische AfD mit weiten Verbindungen in gewaltbereite rechtsextreme Milieus hat mit ihrer Umsturz-Propaganda hohe und prognostizierte Ergebnisse eingefahren. Der Rechtsruck hatte Vorlauf. Vor ziemlich genau einem Jahr sahen wir zu dritt schockiert von Berlin aus zu, wie sich in Chemnitz eine Stimmung zusammenzog, die uns an die Pogrome in Rostock-Lichtenhagen und Hoyerswerda vor über 25 Jahren erinnerte: Rechte Hetzer mobilisierten innerhalb kurzer Zeit eine gewaltbereite Masse, die als Mob für Tage eine Stadt im Griff hält, Angst verbreitet, Menschen jagt und angreift. Wir kennen diese Angst aus den Städten der ehemaligen DDR, in denen wir aufgewachsen sind, in denen unsere Familien leben und aus denen nicht nur wir, sondern viele andere ebenso weggezogen sind. Rechte Hegemonie, soziale Erosion und Perspektivlosigkeit bildeten vor allem in den 1990er Jahren in der ostdeutschen Gesellschaft eine Melange, in der viele nicht gut leben konnten oder wollten. Das das bis heute so geblieben ist, ist so traurig wie real. Und hat ganz verschiedene Gründe. Erklärungsansätze haben seit dem Erstarken der AfD bis in die großen westdeutschen Leitmedien Eingang gefunden.

30 Jahre CDU

Schon in den Jahren vor 2018 hat die rassistische Mobilisierung in Sachsen große gewaltbereite und gewalttätige Versammlungen erreicht, denen jeder Anlass recht war, loszuschlagen - so wie dann auch in Chemnitz. Behörden und Polizei sind nicht bereit, dem Einhalt zu gebieten. Die Couragierten, die sich den rechten Gewalttätern entgegenstellen, sind diejenigen, die wissen, dass diese rechten Machtdemonstrationen ein Angriff sind – zuallererst auf Menschen, aber ebenso auf die Idee und den Versuch eine offene und demokratische Zivilgesellschaft zu entwickeln. Beide gilt es zu schützen, weil eine Regierung nicht willens ist, dies zu tun, wie man am Beispiel Sachsen sehen kann. Die konservative CDU hat in den 30 Jahren ihrer Regierungszeit vieles getan, um progressive Politik, linke Projekte, Vielfalts- und Demokratiebildung, den Schutz und die Stärkung marginalisierter Gruppen zu verhindern oder zumindest zu schwächen. Sie hat es rechten und reaktionären Kräften immer leicht gemacht, ihre Macht zu erproben und auszubauen.

Spätestens das Jahr 2018 hat - nach dem Einzug der AfD in den Landtag Sachsen-Anhalts im Jahr 2016 mit 25 Prozent und in den Bundestag 2017 mit fast 13 Prozent - deutlich gemacht, mit welchem gesellschaftlichen Rückenwind gewaltbereite rechte Gruppen in der Lage sind, auf der Straße zu agieren. Vor allem, wenn der politische Diskurs deutlich nach rechts rückt und weiter verrückt wird. Es gab nicht wenige Versuche, den Machtgewinn der AfD auch vor diesem Hintergrund zu analysieren. An den aktuellen politischen Kräfteverhältnissen wird das vorerst nichts ändern.

Wir blickten im August 2018 nach Chemnitz und sahen die Menschen, die deutlich stärker als wir als sichtbar Engagierte bedroht und angegriffen wurden. Wir suchten eine Möglichkeit, sie zu unterstützen und ihnen verbindliche, praktische Solidarität für zermürbende und immer wieder auch lebensbedrohliche Situationen zukommen zu lassen. Wir begannen zu fragen: Was braucht ihr? Was können wir für euch tun? Dann kamen die Europawahlen im Mai 2019, nun stehen wir vor den Ergebnissen der Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen, sehen den Wahlen in Thüringen entgegen.

Diese Erfolge des politischen und gesellschaftlichen Rechtsrucks haben konkrete Konsequenzen und die sind sichtbar: Für Jugendinitiativen, Frauen*gruppen und Kulturprojekte, für antirassistische Initiativen – und natürlich für Migrant*innenorganisationen. Gelder werden gekürzt, Projekte kriminalisiert, engagierte Menschen werden unter Verdacht gestellt, beschimpft und verleumdet. Viele müssen sich und ihre Arbeit in einem Klima von Hass und Bedrohung verteidigen und jeden Tag aufs Neue behaupten. Und weil das Bild von Ostdeutschland so stark von Rassismus und rechten Mobilisierungen überschattet ist, werden sie oft noch nicht einmal wahrgenommen. All das wird sich noch weiter verstärken. AfD und CDU arbeiten in mehr als einem Dutzend ostdeutscher Kommunen bereits Hand in Hand, organisieren Mehrheiten und bekämpfen gemeinsam ihre politischen Feindbilder. Sich dagegen zu rüsten, kann vieles bedeuten. Wir haben das Polylux Netzwerk gegründet.

Die antifaschistische ostdeutsche Zivilgesellschaft unterstützen

Wer nach einer Möglichkeit sucht, die vielen Projekte und Initiativen zu unterstützen, die sich als antifaschistisch, antirassistisch und demokratisch verstehen und den Rechten entgegen stemmen, kann dies im Polylux Netzwerk tun. Der Verein versammelt Einzelpersonen und Gruppen sowie von Mittelentzug oder Schließung bedrohte Initiativen aus derzeit Berlin, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Thüringen. Es ist ein Netzwerk, dass Angegriffene und deren Arbeit mit Fördermitgliedschaften unmittelbar unterstützt. Unsere Solidarität will praktisch sein, soll die wichtige Arbeit für Demokratie und Menschenrechte, gegen Rassismus und rechte Gewalt absichern. Direkt und unkompliziert kann man Fördermitglied einzelner Projekte werden. So wird gewährleistet, dass die Unterstützung unmittelbar ankommt. Über die Website https://www.polylux.network/ kann man sich informieren und direkt mit uns oder dem Projekt, das man unterstützen möchte, in Kontakt treten.

Die AfD wird ihren politischen Erfolg fortsetzen, aber wir werden da sein und der Zerstörung, zu der sie gesellschafts- und kulturpolitisch ansetzt, etwas entgegensetzen. Es gibt etwas, das uns stärker macht als die Rechte: Unsere Solidarität mit denen, die sie angreift. Weil sie damit uns alle meint. Deshalb ist Solidarität unsere Antwort der Stunde.

Der Rechtsruck ist beängstigend, aber er bleibt nicht unwidersprochen. Die Projekte, die sich für ein demokratisches Miteinander engagieren, müssen nicht neu erfunden werden. Sie existieren, aber sie brauchen unsere Unterstützung. Lassen wir die Menschen, die sich engagieren, nicht allein. Sie sind viele, sie sind verschieden und solidarisch miteinander. Ihre Arbeit ist jetzt nötiger denn je.

Wir werden uns nicht wegducken. Wir alle können uns mit der ostdeutschen Zivilgesellschaft solidarisieren und ihre Projekte stärken, genau dort, wo die AfD jetzt Druck ausübt. Unabhängig von unseren Wohnorten können wir alle Pat*innen dieser ostdeutschen, antirassistischen, vielfältigen Zivilgesellschaft sein. Je mehr wir werden, umso mehr Projekte können wir unterstützen. Sie werden es dringend brauchen.

Dieser Text ist Teil der»nd«-Debattenserie »Bewegt euch!«.

Lesen Sie auch: Kampf um die ostdeutsche Geschichte. Sebastian Bähr über die Wahlen in Sachsen, Brandenburg und Thüringen.

Mit antifaschistischen Grüßen aus Sachsen. Die Kampagne NIKA über sächsische Verhältnisse und wie ihnen begegnet werden kann.

Die Sehnsucht nach dem linken Aufbruch. Die Gruppe »Prisma« über strategisches Wählen, gesellschaftliche Bewegung und das Regieren ohne die AfD.

Yalla Yalla Antifascisti! Newroz Duman und Mario Neuman über Bewegungsfreiheit und gleiche Rechte als eine politische Antwort auf Rassismus und Rechtsruck.

Brandenburg von unten bewegen. Die FAU über gewerkschaftliche Arbeit gegen den Rechtsruck.

Die Landtagswahlen könnten eine Zäsur für Ostdeutschland darstellen. Der Druck auf linke Projekte wächst hier bereits jetzt. Aufgeben? Mitnichten. Doch wie können sich Linke im Osten gegen den Rechtsruck wehren - und vielleicht sogar wieder in die Offensive kommen? Was braucht es für einen emanzipatorischen Wandel und einen neuen Aufbruch? Diese Fragen wollen wir auf unserem Debattenblog diskutieren. Du willst mitschreiben? Schreib uns eine Mail: f.hillebrand (@) nd-online.de; s.baehr (@) nd-online.de
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