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- Vizesenatschefin Ramona Pop in New York
Brücken über den Atlantik
Vizesenatschefin Ramona Pop (Grüne) vertieft in New York Wirtschaftskontakte
»Brooklyn ist das Berlin von Amerika«, sagt Eric Adams am Montag in New York. Der Politiker der Demokratischen Partei ist Borough President von Brooklyn, also Bürgermeister des mit rund 2,3 Millionen Menschen einwohnerstärksten Bezirks der Großstadt. Sein Stadtteil sei das Zentrum der Kreativ- und Techindustrie der Ostküstenmetropole.
Zuvor hat die Wirtschaftssenatorin und Bürgermeisterin Ramona Pop (Grüne) erklärt, dass Berlin die neue dynamische Hauptstadt in der Europäischen Union sei. Mit dem drohenden Brexit werde sich das noch verstärken, glaubt sie. Menschen aus an die 200 Nationen lebten in Berlin, sie selbst, die in Rumänien aufgewachsen ist, sei Teil davon. Diversität und Weltoffenheit helfen der Stadt, wirtschaftlich wieder an Stärke zu gewinnen, ist sie überzeugt. »Wir wollen Brücken bauen in einer Zeit, in der andere Mauern bauen«, sagt Pop. Adams formuliert einen ähnlichen Satz. Beide machen klar, dass sie vom Protektionismus und Nationalismus des US-amerikanischen Präsidenten Donald Trump nichts halten.
Den Wirtschaftsvertretern gefällt das. Schließlich handelt es sich um eine Delegationsreise der Berliner Industrie- und Handelskammer (IHK). Die Wirtschaftskontakte zwischen New York und Berlin sollen enger werden. Immerhin zählt die Metropolregion New York rund 20 Millionen Einwohner und hat eine mit ganz Spanien vergleichbare Wirtschaftsleistung. Beide Städte passten perfekt zusammen, sagt Pop. »Kommen sie nach Berlin und werden sie Teil der Neuerschaffung der Stadt«, fordert sie die US-Amerikaner auf.
Langfristige Kooperationen möglich
Auch die beiden Politiker verbindet etwas. Adams, der 2013 als erster Schwarzer mit einer überwältigenden Mehrheit von 90 Prozent erstmals zum allerdings weitgehend machtlosen Bezirksbürgermeister gewählt wurde, schickt sich an, für die Wahl zum Bürgermeister von New York City zu kandidieren. Und wenn das Umfragehoch der Grünen anhält und wenn es dem linken Parteiflügel nicht gelingt, einen überzeugenden Gegenkandidaten für die Realo-Politikerin zu etablieren, dann könnten sich die zwei ab 2021 jeweils an der Regierungsspitze ihrer Städte wiederfinden. Aber das ist noch Zukunftsmusik.
Erst einmal erklärt IHK-Präsidentin Beatrice Kramm recht kleinteilig die Vorzüge Berlins, zum Beispiel dass das Zentrum der Hauptstadt voll von Inkubatoren und Acceleratoren für Start-ups sei. »Jeder erinnert sich an seinen ersten New-York-Besuch. Bei mir ist der inzwischen 40 Jahre her«, sagt sie. Inzwischen habe sich einiges verändert, zum Beispiel, dass sich zu den berühmten gelben Taxis der Stadt inzwischen viele Fahrzeuge des Konzerns Uber dazugesellt haben.
Eine zukunftsgerechte Stadt zu schaffen, das sei seine Aufgabe, erklärt der erst seit vier Monaten amtierende Chief Technical Officer, (in etwa: Technikvorstand) von New York City, John Paul Farmer. Er erinnert an die noch vor seiner Zeit, im November 2018, gemeinsam mit Amsterdam und Barcelona gestartete Koalition für digitale Rechte. Internetzugang für jeden, Privatsphäre, Datenschutz, Transparenz und Freiheit von Diskriminierung sind einige der Prinzipien dieser Charta, zu der Berlin dieses Jahr beigetreten ist. Uber und viele andere Tech-Konzerne wären demnach eigentlich raus, aber es ist ja eine Wirtschaftsreise, insofern wird nicht weiter über das Thema gesprochen.
New Yorks Strom soll grüner werden
Eine Vertreterin des Bundesstaats New York berichtet über das Ziel, dass die Stromerzeugung bis 2040 komplett von Erneuerbaren bestritten werden soll, fünf Jahre früher als in Kalifornien. Die Stadt New York will sich wiederum dem CO2-Fußabdruck des Gebäudebestands annehmen. Nur zwei Prozent des Gebäudebestands, vor allem alte Hochhäuser, seien für die Hälfte aller Emissionen verantwortlich. Bereits bis 2024 müssen die ineffizientesten 25 Prozent des Bestandes energetisch saniert sein, so die Vorgabe. Denn Gebäude sind für 70 Prozent aller Treibhausgasemissionen verantwortlich. Die Berliner Wirtschaft wird herzlich eingeladen, bei der Erfüllung der Dekarbonisierungsziele tatkräftig mitzuhelfen, schließlich sei Europa dabei weiter als die Vereinigten Staaten, heißt es.
Natürlich werden am Montag auch Papiere unterzeichnet. Der Verband der Digitalwirtschaft Berlin-Brandenburg und die amerikanisch-israelischen Innovationsplattform SOSA wollen künftig kooperieren, um die Digitalisierung der Berliner Wirtschaft zu unterstützen. Und auch die Wirtschaftsförderer von Berlin Partner, die Flughafen-Tegel-Nachnutzer Urban Tech Republic und die New York University unterzeichnen am selben Tag eine Absichtserklärung über die gemeinsame Nutzung und Auswertung von Wirtschafts- und Strukturdaten, um daraus neue Erkenntnisse für die Stadtentwicklung zu gewinnen.
Am Nachmittag gibt es dann Start-up-Feeling zum Anfassen. Eine riesige historische Werkshalle der einstigen Brooklyn Navy Yard, einer Marinewerft, ist unter dem Label New Lab zum High-Tech-Tüftlerzentrum geworden. »Frontier tech«, also Pioniertechnologie, soll hier entwickelt werden. Die Gründer steht dort seit 2016 allerlei teures Werkzeug und auch ansonsten eine sehr einladende Arbeitsumgebung zur Verfügung. Auch Raumfahrt- und Militärtechnologie wird vor Ort entwickelt, die allerdings nicht in den offenen Büros und Werkstätten, die die Besucher zu sehen bekommen. Verschiedene staatliche Organisationen haben das Vorhaben mit allerlei Subventionen und Darlehen stark unterstützt, damit sollen gut bezahlte Arbeitsplätze vor Ort gehalten werden. Ein dort entwickeltes Produkt ist auch massenhaft auf Berlins Straßen zu sehen. Es sind die knallroten Elektro-Leihräder von Jump mit ihren charakteristischen Körben am Lenker. Über den Ozean hat die Bikes schließlich Uber gebracht, nachdem der Konzern das Start-up übernommen hat. Für Uber kann sich Ramona Pop nicht so wirklich erwerben, einen Standort von New Lab in Berlin hätte sie aber schon gerne.
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