Koalitionspoker bis zuletzt

LINKE erst raus aus dem Spiel, wenn Kenia-Koalition den Ministerpräsidenten gewählt hat

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 3 Min.

Am Montag begannen in Brandenburg die Koalitionsverhandlungen von SPD, CDU und Grüne. Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) hofft, »dass wir Mitte Oktober durch sein können«. Spätestens am 25. Dezember - das ist ein Weihnachtsfeiertag, also eigentlich schon zu spät - müssen die drei Parteien soweit sein, dass der Landtag den Ministerpräsidenten wählen kann. Denn in Artikel 83, Absatz 3 der Landesverfassung steht: »Kommt die Wahl des Ministerpräsidenten innerhalb von drei Monaten nach der Konstituierung des Landtages nicht zustande, so gilt der Landtag als aufgelöst.«

Binnen von 70 Tagen müsste es Neuwahlen geben. Der Landtag konstituiert sich am 25. September. Ab da läuft die Zeit. Es dürfte nicht so einfach werden, eine Einigung zu erzielen, die die Basis der Grünen und zugleich der CDU befriedigt. Bei beiden Parteien soll aber in einem Mitgliederentscheid über den Koalitionsvertrag abgestimmt werden. Wird nichts aus Kenia, dann wäre Mitte November noch etwas Luft, sich nach einer anderen Koalition umzusehen.

Im Landesvorstand der Linkspartei wurde das nicht offen ausgesprochen. Aber nach nd-Informationen haben die Genossen im Hinterkopf, dass eine Kenia-Koalition nicht hundertprozentig sicher ist und die LINKE doch noch einmal ins Spiel kommen könnte. Die Lust dazu hält sich in Grenzen nach dem niederschmetternden Wahlergebnis von 10,7 Prozent bei der Landtagswahl am 1. September und nach der Entscheidung von SPD und Grünen, Koalitionsverhandlungen nicht mit der Linkspartei, sondern mit der CDU aufzunehmen. Aber vor der Verantwortung würde sich die LINKE nicht einfach drücken. Auch Ministerpräsident Woidke hält sich ein Hintertürchen offen. Er äußerte zwar optimistisch, dass es mit Kenia klappen werde. Zugleich dankte er der Linkspartei aber auffällig freundlich für zehn Jahre »verlässliche« und »ertragreiche« Zusammenarbeit. Er fügte hinzu, in den Sondierungen habe die LINKE gute Ideen gehabt, von denen sich vielleicht einiges aufgreifen lasse.

Das könnte vordergründig nur so gemeint sein, dass im Landtag gemeinsame Anträge von Koalition und oppositioneller Linksfraktion denkbar sind. Als zwischen 1999 und 2009 die SPD mit der CDU regierte, war so etwas praktisch ausgeschlossen. Unter Rot-Rot hat es dann hin und wieder gemeinsame Initiativen der Koalition mit der CDU, den Grünen oder den Freien Wählern gegeben. Woidkes Hinweis kann aber auch als Wink verstanden werden, sich jetzt nicht vorschnell beleidigt zurückzuziehen. Angesichts der lobenden Worte

Woidkes bedauerte Linksfraktionschef Sebastian Walter, dass nichts aus Rot-Rot-Grün werden soll. Mit so einer Koalition hätte Walters Ansicht nach »ein wirklicher Schritt nach vorn« gemacht werden können. Er nannte als Stichworte einen Mietendeckel, höhere Löhne und die Gemeinschaftsschule. Walter sagte außerdem, er habe bei den Sondierungen »viel gelernt über vermeintliche Machtpolitik und angebliche Stabilität«. Denn am Ende wollte die SPD Rot-Rot-Grün nur deshalb nicht, weil diese Konstellation im Parlament nur eine Stimme Mehrheit hätte.

Woidkes Freundlichkeit könnte auch Koalitionspoker sein. Denn mit Sozialisten in Wartestellung kann Druck ausgeübt werden nach dem Motto: »Wenn sich Grüne und CDU nicht einigen können, dann geht es auch anders.« Selbst die Gewissheit der Grünen, sie seien bei der Regierungsbildung unverzichtbar, sollte ins Wanken gebracht werden. Die SPD hat dem Vernehmen nach vorsichtshalber extra noch einmal bei der Linkspartei nachgefragt, ob diese sich eine Dreierkoalition mit der CDU vorstellen könnte. Die eindeutige Antwort lautete aber: nein. Die Basis würde das auch nicht mitmachen.

Die Grünen haben sich in den Sondierungen ebenfalls nicht gescheut, Druck aufzubauen, um inhaltliche Zugeständnisse zu erhalten. Der Landesvorsitzende Clemens Rostock hat am Wochenende auf einem Kleinen Parteitag verraten, dass seine Partei der SPD zu Beginn der letzten Kenia-Sondierungsrunde unmissverständlich bedeutet habe: »Gebt uns etwas! Unsere Basis will Rot-Grün-Rot.«

- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -